Aus der Zeit gefallenes Verbot

Koalition kann Illegalität der PKK nicht begründen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
In Deutschland wandelt sich langsam das Bild von der PKK. Ein Antrag der LINKEN, das Verbot gegen die Arbeiterpartei Kurdistans aufzuheben, ist trotzdem chancenlos.

Mit Freudentänzen feierten die Kurden ihren Sieg gegen die Terrororganisation Islamischer Staat nach 133 Tagen Belagerung in der nordsyrischen Stadt Kobane. Diese Bilder gingen vor einem Monat um die Welt. Sie wurden nahezu einhellig begrüßt. Dabei geriet allerdings fast in Vergessenheit, dass für die Vertreibung der IS-Milizen viele Kämpfer, die der Arbeiterpartei Kurdistans PKK nahe stehen oder PKK-Mitglieder sind, verantwortlich waren. Gegen die PKK gilt hierzulande seit 1993 ein Betätigungsverbot. Erlassen wurde es vom damaligen Innenminister und CDU-Hardliner Manfred Kanther.

Die LINKE-Innenpolitikerin Ulla Jelpke setzt sich seit Langem dafür ein, dass dieses Verbot aufgehoben und die PKK von der EU-Terrorliste gestrichen wird. Wegen der Entwicklungen im Nahen Osten sieht sie hierfür neue Chancen. Ein entsprechender Antrag der Linksfraktion wird am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten. Darin heißt es, dass Kurden in Deutschland daran gehindert würden, »sich auf die PKK als eine zentrale Akteurin bei der Bekämpfung des Terrors des IS zu beziehen«. In der Bundesrepublik leben mehr als 13 000 PKK-Anhänger.

Nach Angaben der Linksfraktion führt die gegenwärtige Rechtslage auch dazu, dass Bürger in ihren Grundrechten auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Pressefreiheit beschnitten würden. Bundesdeutsche Behörden können wegen des PKK-Verbots vor allem Druck auf Flüchtlinge aus der Türkei ausüben, die in Deutschland Asyl erhalten haben. Wenn sie die PKK unterstützen, kann ihnen nämlich der Flüchtlingsstatus wieder aberkannt werden. Ihnen droht dann die Ausweisung.

Im Kampf gegen die nationale Unterdrückung durch den türkischen Staat war die PKK einst für Anschläge auf militärische und zivile Ziele verantwortlich. Nun betonte die Linksfraktion, dass sich beide Seiten inzwischen um eine Lösung der kurdischen Frage auf dem Verhandlungsweg bemühten. Die PKK gibt als Ziel nicht mehr den Kampf für einen kurdischen Staat an, sondern strebt nach regionaler Autonomie. Damit hat sich die Situation seit Beginn der 90er Jahre deutlich gewandelt. Damals war die Unterstützung für den NATO-Partner Türkei, der Krieg gegen die Kurden führte, ein entscheidendes Argument für das deutsche Verbot der PKK gewesen.

Die jüngsten Entwicklungen haben auch Politiker anderer Parteien immerhin zum Nachdenken gebracht. In Teilen der SPD wurden im Sommer einige kritische Stimmen zur Einstufung der PKK als Terrororganisation laut. Doch inzwischen hat sich die Große Koalition bei diesem Thema eindeutig positioniert. Sie hält nichts davon, von ihrem bisherigen Kurs abzurücken. Denn die PKK habe ein taktisches Verhältnis zur Gewalt, behauptete das Bundesinnenministerium. Es verwies in diesem Zusammenhang auf die »nationale innere Sicherheit«. Derzeit weist jedoch nichts darauf hin, dass diese tatsächlich von der Arbeiterpartei Kurdistans bedroht wird.

Der Vorstoß der Linksfraktion im Parlament ist also wie üblich chancenlos. Die ebenfalls oppositionellen Grünen haben sich noch nicht entschieden, wie sie auf den Antrag der LINKEN reagieren werden. Der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Volker Beck, sagte dem »nd«, er sei dafür, die alte Linie zu überdenken. »Die aktuelle Lage in der Region spielt dabei auch eine Rolle«, so Beck. Immerhin habe die ganze Welt sich bei kurdischen Kämpfern dafür bedankt, dass sie den vom IS verfolgten Jesiden in Nordirak geholfen hätten.

Die Bundesregierung hat sich laut Beck in Widersprüche verstrickt. Sie hatte Waffenlieferungen an die PKK abgelehnt und nur Peschmerga-Kämpfer mit Kriegsgeräten versorgt. Inzwischen kämpfen die beiden kurdischen Gruppen aber gemeinsam gegen den IS. Es gibt auch Hinweise darauf, dass die PKK von den Peschmerga von Deutschland gelieferte Waffen erhalten hat.

Beck bewertete die Arbeiterpartei Kurdistans aber als »nicht unproblematisch«. Der Grüne beklagte, dass es bei Demonstrationen auch zu Ausschreitungen von PKK-Aktivisten gekommen sei. Das war vor allem bei den Protesten gegen den IS der Fall. Zuletzt waren Kurden hierzulande friedlich gegen das PKK-Verbot auf die Straßen gegangen. Nach Ansicht von Beck müsse die Bundesregierung nun darlegen, »wie groß die Gefahren überhaupt noch sind, die von der PKK ausgehen, und ob diese noch ein Verbot rechtfertigen«.

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