Boko Haram will Allianz mit Islamischem Staat

Chef der nigerianischen Terrorgruppe schwört IS-Anführer die Treue / Experten vermuten auch militärischen Druck als Ursache / Sorge vor noch mehr Anschlagsaktivitäten in Nigeria

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die nigerianische Extremistengruppe Boko Haram hat der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) in einer Internetbotschaft ihre Gefolgschaft zugesichert. »Wir verkünden unsere Treue zum Kalifen der Muslime, Ibrahim bin Awad bin Ibrahim al-Husseini al-Kraschi«, heißt es in einer Audio-Botschaft von Boko-Haram-Chef Abubakar Shekau, die am Samstag über das Twitter-Konto der Islamisten verbreitet wurde.

IS-Chef Kraschi ist besser bekannt unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi. Dieser hatte sich Ende Juni vergangenen Jahres in der irakischen Stadt Mossul zum »Kalifen« aller Muslime erklärt - ein Anspruch, der von fast allen islamischen Geistlichen zurückgewiesen wird. Zugleich rief der Dschihadistenführer ein »Kalifat« aus, das vorerst die Gebiete in Syrien und dem Irak unter der Kontrolle seiner Miliz umfasst. Unter seiner Führung hat sich die IS-Miliz zur wohl mächtigsten, reichsten und brutalsten Dschihadistengruppe der Welt entwickelt.

Boko-Haram-Anführer Shekau hatte bereits in früheren Internet-Botschaften al-Bagdadi erwähnt. Schon seit dem vergangenen Jahr gibt es Anzeichen, dass Boko Haram eine Annäherung an die Dschihadistenmiliz anstrebt: So hatte die Gruppe die von ihr nach heftigen Kämpfen im Juni 2014 besetzte Stadt Gwoza als Teil eines »Kalifats« bezeichnet; auch ihre Propagandavideos ähneln vom Stil zunehmend denen des IS. In der am Samstag verbreiteten achtminütigen Botschaft, die Englisch, Französisch und Arabisch untertitelt war, sicherte er dem IS aber erstmals formal die Gefolgschaft zu. Ob es sich bei dem Sprecher wirklich um Shekau handelte, war zunächst von unabhängiger Seite nicht zu belegen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zählt neben dem IS vor allem Boko Haram sowie die Al-Shabaab in Somalia weltweit zu den größten Bedrohungen für die Menschenrechte. Experten gehen davon aus, dass sich Boko Haram ein Vorbild an der Schreckensherrschaft der Islamisten im Irak und Syrien nimmt. Die Berichte über Massenhinrichtungen von Andersgläubigen, zu Propagandazwecken gefilmten Enthauptungen und versklavten Mädchen und Frauen gleichen sich.

US-Medien hatten im Februar unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, dass Emissäre des IS nach Nigeria gereist seien, um über eine Allianz mit Boko Haram zu verhandeln. Die nigerianische Gruppe soll auch Kontakte zu nordafrikanischen Al-Kaida-Ablegern haben.

Als Motiv für den Treueeid für den IS vermuteten Experten auch den militärischen Druck, unter den Boko Haram in jüngster Zeit zu geraten scheint: Die nigerianische Armee und ihre regionalen Verbündeten haben die Islamisten offenbar aus manchen Regionen zurückdrängen können. Ein Bündnis zwischen Boko Haram und dem IS mache insofern Sinn, »als sich beide Gruppen derzeit in einem Zustand organisatorischer Schwäche befinden«, sagte der Extremismus-Experte Max Abrahms von der Bostoner Northeastern University der Nachrichtenagentur AFP.

Experten befürchten, dass Boko Haram seine Anschlagsaktivitäten verstärken wird, um die geplanten Wahlen in Nigeria zu verhindern. Diese waren wegen der anhaltenden Kämpfe mit den Islamisten bereits von Februar auf den 28. März verschoben worden.

Nach Angaben der nigerianischen Behörden starben am Samstag bei fünf Selbstmordanschlägen im Nordosten des ölreichen Landes insgesamt 55 Menschen. Weitere etwa 150 Menschen seien verletzt worden. Zunächst war von drei Anschlägen mit mehr als 40 Toten berichtet worden.

Es wird vermutet, dass Boko Haram hinter den Anschlägen steckt. Die Gruppe will in der Region einen Gottesstaat errichten und hat seit 2009 mehr als 13.000 Menschen getötet. Jedoch wurde sie zuletzt vom Militär mit Unterstützung der Nachbarländer zurückgedrängt. Die IS-Terrormiliz kontrolliert in Syrien und im Irak je rund ein Drittel der Landesfläche. Anhänger haben zudem IS-Zellen in Ägypten und in Libyen gegründet. Agenturen/nd

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