Die grausame Geschichte soll enden

Zum kurdischen Neujahrsfest bietet PKK-Führer Öcalan der Türkei erneut das Niederlegen der Waffen an

  • Ismail Küpeli
  • Lesedauer: 4 Min.
Der inhaftierte PKK-Chef Öcalan hat seine Anhänger zum Frieden mit der türkischen Regierung aufgerufen. Es sei an der Zeit, die »grausame« und »zerstörerische« Geschichte zu beenden.

Die Erwartungen im Vorfeld an die Botschaft des inhaftierten Vorsitzenden der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Abdullah Öcalan, zum kurdischen Neujahrsfest Newroz waren hoch. Ende Februar hatte Öcalan mit der Überlegung, dass die PKK recht bald den bewaffneten Kampf dauerhaft einstellen könnte, den stockenden Friedensprozess mit der türkischen Regierung reaktiviert hatte. So mancher politische Beobachter rechnete damit, dass Öcalan mit der heutigen Botschaft vom Sonnabend die PKK zur raschen Waffenniederlegung aufrufen und eine Frist für die endgültige Entwaffnung nennen würde. Skeptische Stimmen verwiesen im Gegenzug auf den langen und schwierigen Verlauf der bisherigen Friedensverhandlungen und erwarteten von Öcalan nicht viel mehr als ein unverbindliches Bekenntnis zum Friedensprozess ohne konkrete Angaben.

Entsprechend der Überhöhung Öcalans zur Symbolfigur der kurdischen Befreiungsbewegung war bereits die Form der Botschaft zum Politikum geworden. So mancher PKK-Sympathisant hatte sich eine Audio- oder Videobotschaft des PKK-Anführers erhofft. Dieses Zugeständnis seitens der türkischen Regierung wäre seitens der PKK sicherlich als positives Signal verstanden worden. Aber Teile der Regierungspartei Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) hätten ein derartiges Zugeständnis nicht mitgetragen – von der türkisch-nationalistischen Opposition ganz zu schweigen, die immer wieder gegen den Friedensprozess wettert.

So reichte es nur für einen Brief Öcalans, der am Samstag in Diyarbakir, der größten Stadt in den kurdischen Gebieten der Türkei, bei den Newroz-Feierlichkeiten zweisprachig verlesen wurde.
Der überwiegende Teil des Textes liefert eine abstrakte politische Analyse der Situation in der Türkei sowie im Nahen und Mittleren Osten. Als Ursachen für die Krisen und Gewaltkonflikte werden der »imperialistische Kapitalismus und seine regionalen Handlanger« sowie seine »neoliberale Politik« ausgemacht, die weltweit durchgesetzt werde. Der imperialistische Kapitalismus greife auf ethnische und religiöse Konfliktlinien zurück, um die Völker im Nahen und Mittleren Osten zu spalten. So seien die Nationalstaaten und der Nationalismus Bausteine einer »Teile und herrsche«-Politik des Imperialismus, die die Völker gegeneinander aufspiele.

Als Alternative dazu skizziert Öcalan eine demokratische Gesellschaft, in der verschiedenen ethnische und religiöse Gruppen friedlich koexistieren können. Die »antiimperialistische« Sprechweise in der Botschaft fällt auf, wobei zuerst unklar bleibt, was damit bezweckt ist. Ein Erklärungsansatz ist, dass derzeit die Kritik seitens türkischer Linker und Linksradikaler an den Verhandlungen zwischen der AKP-Regierung und der kurdischen Bewegung wächst und Öcalan hier den türkischen Linken signalisiert, dass man eine ähnliche Weltsicht teilt. So könnte Spannungen zwischen der türkischen Linken und der kurdischen Bewegung vorgebeugt werden.

Der konkretere Teil der Botschaft skizziert einen Friedensprozess, in dessen Verlauf die PKK den bewaffneten Kampf einstellen soll – aber es ist nicht die Rede von Waffenniederlegen oder gar Entwaffnung, wie es in manchen Presseberichten zu lesen ist. Der Unterschied zwischen Einstellung des bewaffneten Kampfs und Entwaffnung ist insofern relevant, weil die erste Option faktisch darauf hinausläuft, dass die PKK nur einen Teil der militärischen Kapazitäten abrüsten würde. Kämpfer und Waffen könnten die Türkei dann in Richtung Nordsyrien verlassen.

Bevor aber die PKK die Einstellung des bewaffneten Kampfes beschließen würde, soll die türkische Regierung mit Zustimmung des Parlaments offizielle Friedensgespräche einleiten, in denen auch über eine grundlegende politische Veränderung der Türkischen Republik verhandelt werden soll. Die bisherigen Kontakte werden seitens der türkischen Regierung explizit nicht als Friedensverhandlungen bezeichnet, weil dies bedeuten würde, dass die PKK als Verhandlungsseite anerkannt wäre.

Insbesondere diese beiden Forderungen von Öcalan – Anerkennung der PKK als Verhandlungspartnerin und grundlegende politische Umgestaltung der Staates als Teil des Friedensprozesses – dürften für die türkische Regierung schwer akzeptabel sein Bisher hat sie sich im Friedensprozess halbherzig und wankelmütig verhalten. Ein eindeutiges Bekenntnis wäre ganz klar eine Belastung für die Regierungspartei AKP. Insofern ist es offen, ob in den nächsten Wochen und Monaten relevante Schritte eingeleitet werden – oder ob die AKP lediglich bis zu den Wahlen im Juni Zeit schinden will.

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