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Streiks an den Schulen sind Ausnahmen

19 Busse bringen Thüringer Lehrer und Behördenmitarbeiter nach Leipzig

  • Andreas Göbel, Erfurt
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Stimmung ist gut, aber durchaus kämpferisch: Die angestellten Lehrkräfte gingen am Dienstag zu Tausenden auf die Straße. Sie wollen einen Tarifvertrag.

Erfurt. Dienstagmorgen, kurz vor neun in der Thüringer Landeshauptstadt: Die Gruppe von rund 50 DemonstrantInnen, die am Erfurter Hauptbahnhof auf ihren Streik-Zubringer nach Leipzig wartet, ist nur schwer zu übersehen. Dutzende rot-weiße Fahnen und große Plakate werden hochgehalten, fast jede und jeder trägt einen Überzieher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Vereinzelt sind auch Fahnen anderer Berufsgruppen wie der Gewerkschaft der Polizei zu entdecken. Kurz vorher sind bereits zwei Busse der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Richtung Sachsen gestartet.

Die Stimmung ist gut, aber durchaus kämpferisch - das wird beim Gespräch mit einigen der Wartenden schnell klar. »Dass unsere Rente angetastet wird, wollen wir uns nicht gefallen lassen. Das ist einer der Gründe, warum wir heute mit zur Großdemonstration nach Leipzig fahren«, sagen Jutta Walther und Elke Jordan von der Integrierten Gesamtschule in Erfurt. Von ihrer Einrichtung sind gleich fünf Kolleginnen mitgekommen, um gegen die Missstände zu kämpfen. »Uns geht es aber auch um den Lehrernachwuchs. Weil Junglehrer in anderen Bundesländern gleich von Anfang ganz anders eingestuft werden, wandern sehr viele ab. Das kann so nicht weiter gehen.«

René Kaiser arbeitet als angestellter Berufsschullehrer an der Berufsschule Gotha-West, für ihn ist es heute die erste Demo für bessere Arbeitsverhältnisse. »Mir geht es vor allem um die Gleichstellung«, sagt er. »An der Berufsschule gibt es sogar ein Drei-Klassen-System: Wir haben Fachpraxislehrer, angestellte Lehrer und Beamte, die alle unterschiedlich verdienen. Das ist ungerecht und sollte schleunigst geändert werden.«

14 Busse aus Thüringen schickt alleine die GEW an diesem Morgen nach Leipzig, sagt der GEW-Pressereferent Michael Kummer. Mit ver.di gehen fünf Busse aus verschiedenen Regionen Thüringens auf die Reise. Zum Streik aufgerufen seien alle TV-L-Beschäftigten (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst der Länder), sagt Kummer. Das umfasse neben 6700 Lehrern auch mehrere hundert HorterzieherInnen im Landesdienst, Hochschulangehörige und Angestellte in Ministerien und Behörden. Bei der Polizei seien unter anderem etwa 70 MitarbeiterInnen der Bußgeldstelle in Artern zum Ausstand aufgerufen.

»Wie viele Streikende tatsächlich dabei sind, können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen«, erklärt Gewerkschaftssekretär Sven Voß von ver.di Thüringen. »Die Busse sind aber alle mindestens bis zur Hälfte gefüllt, unter anderem sind Mitarbeiter des Landesamts für Verbraucherschutz, der Straßenbauämter Nord- und Ostthüringen, der Fachhochschulen Erfurt und Jena und der Uni Jena dabei.«

Streiks direkt an den Schulen gebe es in Thüringen nur in Ausnahmefällen, sagt Kummer. »Unter anderem ist an der Andreas-Gordon-Berufsschule in Erfurt ein Streik geplant, die meisten fahren aber mit nach Leipzig.« Etwa ein Drittel der Lehrer in Thüringen sind laut GEW derzeit im Angestelltenverhältnis beschäftigt, der Rest sind Beamte. Wie viele Stunden durch den Ausstand der angestellten LehrerInnen ausfielen, sei unklar. Das werde in jeder Schule individuell geregelt.

Am Ende werden es an diesem Dienstag in Leipzig nach GEW-Angaben 27 000 Beschäftigte sein, die in Leipzig demonstrieren.

»Es liegt in der Verantwortung der Arbeitgeber, ein Scheitern in der vierten Verhandlungsrunde zu verhindern«, sagte ver.di-Vorstand Achim Meerkamp. Willi Russ, Verhandlungsführer des deutschen beamtenbundes und tarifunion (dbb), drohte der Tarifgemeinschaft der Länder mit Streik, sollten die Tarifverhandlungen am Samstag zu keinem Ergebnis kommen: »Sollte es am 28. März in Potsdam kein Ende der Blockadehaltung und kein ordentliches Angebot geben, werden wir auf Deutschlands Straßen zeigen, wozu wir in der Lage sind - und zwar unbefristet«, drohte Russ. In Niedersachsen und Bremen beteiligten sich hunderte angestellte Lehrkräfte an Arbeitsniederlegungen.

Die Warnstreiks gehen in dieser Woche noch weiter. Am Mittwoch ruft unter anderem der dbb zu Warnstreiks in Nordrhein-Westfalen und am Donnerstag in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie Bayern und Baden-Württemberg auf.

An den Warnstreiks vorige Woche hatten sich nach Gewerkschaftsangaben rund 120 000 der insgesamt rund 800 000 Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder. Dazu kommen noch rund 2,2 Millionen BeamtInnen im Landesdienst, auf die die Ergebnisse der Tarifrunde übertragen werden - was aber meist auch nicht ohne Reibung funktioniert.

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