Gericht: Entscheidungen zu NPD-Verbot noch in diesem Jahr

NPD bekommt für 2014 rund 1,4 Millionen vom Staat / Erzeugt die Neonazipartei »Atmosphäre der Angst«? Bundesverfassungsgericht will mehr Beweise für Verbotsverfahren / Immunität von Ex-NPD-Chef Voigt soll wegen Holocaustleugnung aufgehoben werden

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Update 14.00 Uhr: Im NPD-Verbotsverfahren will das Bundesverfassungsgericht noch in diesem Jahr wichtige Entscheidungen treffen. Das geht aus der Jahresvorschau hervor, die das Gericht am Mittwochabend veröffentlicht hat. Der Zweite Senat prüfe derzeit intensiv, ob der Verbotsantrag zulässig und hinreichend begründet sei, hieß es aus Gerichtskreisen.

Nach den bisherigen Plänen wollte der Senat im frühen Herbst entscheiden, ob es eine mündliche Verhandlung gibt oder nicht. Die Entscheidung darüber sei offen, hieß es nun. Sollte es eine Verhandlung geben, will sie das Gericht möglichst noch für 2015 ansetzen.

Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, ihren Sachvortrag zum aggressiven und antidemokratischen Auftreten der rechtsextremen Partei in zwei Punkten zu ergänzen, hatte der Berichterstatter des Verfahrens, der ehemalige saarländische Ministerpräsident Peter Müller, dem Bundesrat geschrieben. Dieser hatte den Verbotsantrag gestellt.

In einem am Montag bekanntgewordenen Beschluss hatte das Gericht den Bundesrat bereits aufgefordert, weitere Beweise dafür vorzulegen, dass die V-Leute in der NPD tatsächlich abgeschaltet sind.

NPD bekommt für 2014 rund 1,4 Millionen vom Staat

Berlin. Die neonazistische NPD erhält für das Jahr 2014 rund 1,4 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Das geht aus einer Unterrichtung des Bundestags vor, in welche die jeweiligen öffentlichen Leistungen an die Parteien aufgeführt sind. Neben der NPD erhalten auch 19 andere Parteien staatliche Gelder. Für jede erhaltene Stimme bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen gibt es 85 Cent, ab vier Millionen Stimmen 70 Cent. Mindestens muss dafür bei Europa- oder Bundestagswahlen ein halbes Prozent der Stimmen erreicht werden, bei Landtagswahlen ein Prozent.

Derweil ist bekannt geworden, dass die Bundesländer im NPD-Verbotsverfahren noch mehr Beweise dafür liefern müssen, dass die Rechtsradikalen aggressiv und antidemokratisch auftreten. Der Berichterstatter des Verfahrens beim Bundesverfassungsgericht, Peter Müller, habe die Länder angeschrieben, um ihnen »Gelegenheit zu geben, ihren Sachvortrag zu ergänzen«, teilte ein Gerichtssprecher am Mittwoch in Karlsruhe mit.

Es geht dabei um zwei Punkte: Zum einen um den Vorwurf der Länder, die NPD erzeuge in Deutschland eine »Atmosphäre der Angst«, wodurch demokratisches Handeln eingeschränkt werde. Darüber hinaus soll die Partei aggressiv gegen die Aufnahme von Asylbewerbern protestiert haben. Müller verweise darauf, dass diese Punkte »möglicherweise nicht hinreichend durch konkrete Beispiele unterlegt« seien.

In einem am Montag bekannt gewordenen Beschluss hatte das Gericht den Bundesrat bereits aufgefordert, weitere Beweise dafür vorzulegen, dass die V-Leute in der NPD tatsächlich abgeschaltet sind. Die Behörden sollen »darstellen und in geeigneter Weise belegen«, wie viele der bezahlten Informanten vom Verfassungsschutz abgeschaltet wurden und wie das ablief. Der erste Anlauf für ein Verbot der NPD war 2003 gescheitert, weil der Verfassungsschutz damals auch in der Parteispitze Informanten hatte, ohne dies offenzulegen.

Unterdessen hat die »Platzhirsch«-Kampagne der Jungen Nationaldemokraten (JN) in sächsischen Schulen ein Nachspiel: Am Mittwoch durchsuchten Beamte des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) zur Bekämpfung von Rechtsextremismus sechs Wohnungen wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruch, wie die Staatsanwaltschaft Chemnitz mitteilte. Mitglieder der NPD-Jugendorganisation hatten im vergangenen Jahr wiederholt Schulen aufgesucht und dort im Rahmen einer Anti-Drogen-Kampagne unerlaubt die Schülerzeitung »Platzhirsch« und politisches Werbematerial verteilt. Begleitet wurde die Aktion häufig durch ein Hirsch-Plüschtier.

Bei der Durchsuchung wurde den Angaben zufolge diverses Beweismaterial wie Laptops und Mobiltelefone sichergestellt. Diese werden nun bei den jeweiligen Strafverfahren, die beim Amtsgericht Chemnitz anhängig sind, ausgewertet. Nach Angaben der rechtsextremen NPD wurde auch die Wohnung des NPD-Landesvorsitzenden Holger Szymanski durchsucht.

Derweil soll die Immunität des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt aufgehoben werden. Dazu liegen zwei Anträge vor, wie die Deutsche Presse-Agentur aus dem Büro von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz erfuhr. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken wirft dem früheren NPD-Vorsitzenden Voigt vor, bei einem Neujahrsempfang der Partei im Januar dieses Jahres den Holocaust geleugnet zu haben. Hintergrund eines zweiten Antrags ist nach Angaben aus Brüssel ein von Voigt angestrengtes Revisionsverfahrens gegen ein Urteil des Landgerichts Berlin.

Dieses hatte ihn im vergangenen Jahr wegen gemeinschaftlicher Beleidigung in Tateinheit mit Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Die Anklage bezog sich auf einen Terminplan der NPD zur Fußball-WM 2006. Er zeigte auf dem Titel einen Fußballer mit der Rückennummer des dunkelhäutigen Fußballspielers Patrick Owomoyela. Im Text dazu hieß es »Weiß - Nicht nur eine Trikot-Farbe! Für eine echte NATIONAL-Mannschaft!«.

Nach Angaben aus dem EU-Parlament widerspricht der Rechtsanwalt von Voigt dem zweiten Antrag mit der Begründung, dass durch die Aufhebung der Immunität Voigts Arbeit als Abgeordneter behindert würde. Dies wird von Juristen im Parlament allerdings anders gesehen. Die Straftat sei vor Beginn der Mandatszeit begangenen worden, heißt es. Voigt müsse sich für sein Verhalten vor Beginn des Mandats strafrechtlich verantworten.

Im nächsten Schritt wird sich nach Angaben des Sprechers von Parlamentspräsident Schulz (SPD) der zuständige Rechtsausschuss mit den zwei Anträgen auf Aufhebung der Immunität befassen. Die Ausschussmitglieder werden dann einen Berichterstatter benennen, Voigt anhören und eine Empfehlung für das Plenum aussprechen. Sollte das Parlament den Anträgen der deutschen Justizbehörden stattgeben, würde Voigt seinen Schutz vor Strafverfolgung verlieren. Den Abgeordnetensitz könnte er allerdings behalten.

Der 62-jährige Voigt stammt aus Viersen in NRW und sitzt seit dem vergangenen Jahr als einziger NPD-Abgeordneter im Europaparlament. Der Politikwissenschaftler und frühere Hauptmann der Bundeswehr war von 1996 bis 2011 Chef der rechtsextremen Partei. Unter seiner Führung zog die NPD damals in die Landtage von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein. Agenturen/nd

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