»Derzeit nicht sichtbar«

Auf Druck der türkischen Regierung sperrte Facebook die Seite des deutschen »Lower Class Magazins«

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil die Journalisten eines linken Magazins Fotos einer Geiselnahme in Istanbul veröffentlichten, blockierte Facebook die Seite. Der Fall zeigt, wie bereitwillig der Internetkonzern Zensurwünschen folgt.

Dass in der Türkei die Zugänge zu Online-Diensten wie Twitter oder Facebook von Behörden gesperrt werden, ist nichts Neues. Erst am Montag meldeten die Agenturen, dass Twitter und Youtube blockiert seien, weil dort Fotos von der Geiselnahme eines Istanbuler Staatsanwaltes durch Linksradikale veröffentlicht wurden. Anfänglich war auch das soziale Netzwerk Facebook von dem Gerichtsbeschluss betroffen. Der kalifornische Internet-Riese reagierte aber umgehend, entfernte die Fotos und entging so einer Sperre. Dazu durchsuchte der Konzern die Accounts seiner Kunden und sperrte die fraglichen Inhalte. Dabei traf es auch das deutsche »Lower Class Magazin«, das ein Foto der Geiselnehmer veröffentlicht hatte. Ohne Vorwarnung blockierte Facebook gleich die ganze Seite des Magazins.

Am Ostersamstag wurden die verdutzten Macher darüber informiert, dass ihre Seite auf Facebook »derzeit nicht sichtbar« sei. Die geposteten Inhalte entsprächen »nicht den Nutzungsbedingungen von Facebook«. Somit waren sämtliche Inhalte nicht mehr abrufbar. »Trotz verschiedener Nachfragen bei dem Unternehmen« habe man »keinerlei Antworten erhalten«, schrieben die Redakteure des linken Magazins. Auch eine entsprechende Nachfrage des »nd« blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Facebook gilt als notorisch schlecht erreichbar. Einen Pressekontakt sucht man vergebens.

Das Unternehmen selbst droht auf seiner Webseite: »Wir entfernen die entsprechenden Inhalte, deaktivieren Konten und arbeiten mit Strafverfolgungsbehörden zusammen, wenn wir zu dem Entschluss kommen, dass ein echtes Risiko physischer Gewalt oder eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit besteht.«

Anfangs war man beim »Lower Class Magazin« noch unsicher, was zu der Sperrung geführt haben könnte und gegen welche der Nutzungsbedingungen man verstoßen habe. Und so musste man sich von Indizien leiten lassen und vermutete einen Zusammenhang mit dem Vorgehen der türkischen Behörden gegen Fotos von der Geiselnahme. Schließlich entging Facebook der behördlichen Sperrung ja nur, weil man die Server von den unliebsamen Bildern säuberte. »Facebook dürfte wohl schlichtweg den Vorgaben des autoritären Regimes Folge geleistet haben«, mutmaßte das Magazin. Die Journalisten sollten Recht behalten.

Am Dienstag wurde die Sperre plötzlich wieder aufgehoben. Zuvor hatte man das Foto des Staatsanwalts und seiner Geiselnehmer von der marxistisch-leninistischen DHKC entfernt. »Unsere Einschätzung, dass es sich bei dem Inhalt, der zur Sperrung führte, um exakt dieses Foto handelte, ist damit bestätigt«, so das »Lower Class Magazin«.

Facebook unterstützt so die türkische Regierung bei ihrem Versuch, kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Der Konzern selbst verweist auf »berechtigte Anfragen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Fällen« und das türkische Gesetz 5651 zur Internetüberwachung. Die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten Erdogan hatte das umstrittene Gesetz 2007 verabschiedet. Auf seiner Grundlage wurden mehr als 40 000 Webseiten gesperrt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Verordnung bereits 2012 als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verurteilt.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal