Ahnungslos in Magdeburg

Microsoft will Schulen in Sachsen-Anhalt vernetzen und kaum jemand weiß Bescheid

  • Katja Eichholz
  • Lesedauer: 2 Min.
Microsoft soll die Schulen in Sachsen-Anhalt vernetzen. Doch die Verantwortlichen wissen nichts von entsprechenden Plänen des Finanzministers. Hinzu kommt die Angst vor einem möglichen Datenzugriff durch die NSA.

Mitte März haben der Finanzstaatssekretär von Sachsen-Anhalt, Michael Richter, und Microsoft eine Bildungskooperation unterzeichnet. So soll der US-Konzern die »infrastrukturellen Voraussetzungen für ein intelligentes Schulnetz« schaffen und Schülern, Lehrern sowie Schulmitarbeitern das Software-Paket »Office 365« kostenfrei zur Verfügung stellen. Microsoft will das Land zudem mit einer eigenen IT-Academy unterstützen, die sich in der frühkindlichen Sprachförderung engagiert, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung. Die Kooperation ist vertraglich noch nicht final geregelt, zunächst wurde nur ein sogenannter »Letter of Intent« abgeschlossen. Hierbei handelt es sich um einen Vorvertrag, dem nach derzeitigem Stand Ende Mai ein regulärer Vertrag folgen soll.

Jan Wagner, netzpolitischer Sprecher der Linksfraktion in Sachsen-Anhalt, fordert nun die Kündigung des Vorvertrags. Wagner kritisiert diesen als ein »datenschutzrechtliches Monstrum« und moniert, dass etliche »relevanten Träger« im Land, unter ihnen das Kultusministerium, der Datenschutzbeauftragte und der Landtagsausschuss für Bildung und Kultur, über die Maßnahmen nicht informiert wurden.

Der Datenschutzbeauftragte von Sachsen-Anhalt, Harald von Bose, hat von den Plänen zur Bildungskooperation mit dem Software-Giganten Microsoft in der Tat erst aus den Medien erfahren, wie er gegenüber »nd« bestätigt.

Er hat nun Finanzministerium und Kultusministerium um eine Stellungnahme gebeten. Von Bose hätte gemäß Landesdatenschutzgesetz von Sachsen-Anhalt zumindest vor Abschluss des »Letter of Intent« informiert werden müssen. Der Datenschutzbeauftragte warnt mit Blick auf den NSA-Skandel, dass Microsoft von der US-Regierung jederzeit gezwungen werden könne, Daten herauszugeben, ganz egal ob sich das Unternehmen an die Vorgaben des deutschen Datenschutzes hält. Er verweist auf die Pläne, die Daten aller Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler zu erfassen. Das sind nach Angaben Wagners immerhin fast zehn Prozent der Bevölkerung von Sachsen-Anhalt.

Im Finanzministerium weist man die Kritik zurück und betont, dass die Absichtserklärung zunächst »lediglich die Ernsthaftigkeit der Gespräche über mögliche, vertraglich zu fixierende diverse Kooperationsansätze zum Ausdruck« bringe. Daher sei der Datenschutzbeauftragte noch nicht einbezogen worden. Dies erfolge, »sobald sich die Verfahren ausreichend präzise beschreiben lassen«. Im Moment soll Microsoft nach Auskunft eines Pressesprechers lediglich eine technische Infrastruktur schaffen. Der Einsatz von »Office 365« sei als ein »mögliches Angebot« zu verstehen. Das Ministerium weist außerdem darauf hin, dass auch mit anderen Herstellern »Gespräche über mögliche Kooperationen« geführt werden.

Die Linksfraktion hat in einer Kleinen Anfrage, die »neues deutschland« vorliegt, um Aufklärung gebeten. Außerdem soll der Finanzminister in einer Sondersitzung des Bildungsausschusses Ende April Fragen zum »Letter of Intent« beantworten sowie zu Datenschutzaspekten Stellung nehmen.

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