SYRIZA und die Sache mit den Neuwahlen

Ein »Geheimplan« und das Demokratieverständnis derer, die sich die Unterwerfung der griechischen Regierung erhoffen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.

»Prüft« die SYRIZA-geführte Regierung etwa Neuwahlen? Nun, wer das Griechenland-Fachblatt »Bild« liest, wird auch nicht schlauer. Die Postille für das angewandte Vorurteil weiß allerdings von einem »Geheimplan« zu berichten, der schon im ersten Satz der Enthüllung zur Erwägung schrumpf: In Athen »denkt die griechische Regierung über Neuwahlen nach!« Das Ausrufungszeichen ist wichtig, denn es signalisiert Bedeutung, wo keine ist. »Wir haben nichts zu verlieren«, wird dann noch ein namenloser Minister zitiert.

Richtig ist: SYRIZA hätte womöglich etwas zu gewinnen bei Neuwahlen, denn in Umfragen steht die linke Partei gut da - weil sie den Gläubigern und der Regierung in Berlin die Stirn bietet. Richtig ist auch: SYRIZA folgt einem Demokratieanspruch, der hierzulande Unverständnis produziert oder jedenfalls nicht verstanden wird - was ziemlich viel über den Stand des demokratischen Denkens in Deutschland aussagt.

Denn die Logik, die SYRIZA verfolgt, ist einfach und vernünftig. Man sieht sich durch die Wahlen Ende Januar mit einem Mandat ausgestattet, das auf einigen zentralen Pfeilern ruht: Schluss mit der Kürzungspolitik, welche die Vorgängerregierungen im Gegenzug für Kredite akzeptiert hatten, mit denen vor allem Banken gerettet wurden und die weder das Problem der Schulden noch die Wirtschaftskrise gelöst haben; Sofortmaßnahmen gegen die katastrophale soziale Lage im Land, die unmittelbare Folge der Kürzungsdiktate ist; sowie: Verbleib im Euro.

Was bedeutet das für die Gespräche um die Auszahlung der von den Gläubigern bisher aus politischen Gründen blockierten Gelder aus dem laufenden Kreditprogramm? Wenn keine Lösung gefunden wird, in der die Kernpunkte des Wählermandats vom 25. Januar einen Ausdruck finden, kann SYRIZA kein Abkommen abschließen - es sei denn, die Linkspartei würde sich gegen jene Mehrheit wenden, auf deren Basis sie in Brüssel und gegen Berlin überhaupt erst verhandelt.

Man könnte das demokratisch nennen. Ebenso demokratisch ist es, für den Fall, dass die Gläubiger die SYRIZA-Regierung auflaufen lassen, darüber nachzudenken, wie dann weiter verfahren werden soll. Das tut die Linkspartei schon länger - und sie tut dies keineswegs geheim.

Anfang März zum Beispiel hatte Finanzminister Yanis Varoufakis ein Referendum oder auch Neuwahlen als eine Möglichkeit bezeichnet, sollten die Gläubiger die Pläne der Athener Regierung ablehnen, auf einem eigenen Kurs sowohl den Haushalt zu sanieren als auch für sozialen und ökonomischen Wiederaufbau zu sorgen, der Voraussetzung für die Rückzahlung der Kredite ist. Das war so geheim, dass »Bild« sogar darüber berichtete. Vor ein paar Tagen sagte der Europaabgeordnete Kostas Chrysogono von SYRIZA, »wenn die Geldgeber weiterhin an einer solch unflexiblen Linie festhalten, dann wird die Wählerschaft ihre Verantwortung wahrnehmen müssen«. Auch über diese geheime Überlegung berichtete »Bild«.

Auch andere SYRIZA-Mitglieder äußerten sich immer wieder in diese Richtung. Kostas Lapavitsas vom linken Flügels »Aristeri Platforma« sagte vor wenigen Tagen, »das Volk muss seinen Willen zum Ausdruck bringen. So oder so. Das Volk hat sich bei den Wahlen am 25. Januar sowohl für unser Regierungsprogramm als auch den Euro entschieden. Wenn beides gemeinsam nicht geht, muss das Volk einen anderen Auftrag erteilen. So ist das Leben. Seien Sie versichert: Es wird nichts passieren, was das griechische Volk nicht will.«

Und was sagt nun die Regierung in Athen? Man plane keine Neuwahlen und arbeite weiter, gestützt auf das Mandat vom 25. Januar, an einer Lösung der Finanzkrise. Die Deutsche Presse-Agentur macht daraus: »Griechenlands Regierung schließt Neuwahlen aus.« Hat sie das?

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