James Bond für Kinder

Uraufgeführt im Theater an der Parkaue: David Lindemanns »Herr Fritz vom Geheimdienst«

  • Volker Trauth
  • Lesedauer: 4 Min.
»Herr Fritz vom Geheimdienst« ist ein »James Bond für Kinder«. Und der Kämpft als unspektakulär agierender Mitarbeiter der Verbrecherabwehr gegen das Syndikat »M.O.N.S.T.R.E.« - im Berliner Theater an der Parkaue

Es ist wohl das vielgestaltigste deutsche Kinder- und Jugendtheater: das Berliner Theater an der Parkaue. Ein Blick auf den Spielplan zeigt sowohl im Thematischen wie im Formalen eine erstaunliche Bandbreite. Auch die für die Zuschauer von neun bis zwölf Jahren vorgesehenen Inszenierungen berühren wesentliche Zerreißproben menschlichen Zusammenlebens. In »Tim Thaler oder das verkaufte Lachen« geht es um die Frage, ob Reichtum, Glanz und Glamour den Sinn des Lebens ausmachen, in »Mr. Gum oder der fettige Ingo« um den Wert wahrer Freundschaft und in der »Reise zum Mittelpunkt der Erde« um den Reiz, ins Unbekannte vorstoßen zu können. Vielfältig auch die angestrebten theatralischen Vermittlungsformen. Neben der »musikalischen Revue« stehen das moderne Märchen und die »Comic-Theater-Show«.

Als ein »James Bond für Kinder« ist David Lindemanns »Herr Fritz vom Geheimdienst« angekündigt. Dieser Herr Fritz ist ein unspektakulär agierender Mitarbeiter der Verbrechensabwehr. Er wird zum Gegenspieler des Verbrechersyndikats M.O.N.S.T.R.E., das sich aus zwölf der reichsten Menschen der Erde - Bankern, Industriellen und Diplomaten - zusammensetzt. Dieses Syndikat will die Kontrolle über die Welt an sich reißen und zu dem Zweck über einen »Supervisor« ein Virus ins Netz jagen, das die Ordnung von Buchstaben und Zahlen durcheinanderbringen und den Ablauf des gesellschaftlichen Lebens zerstören soll. Auf ein vom Syndikat entwickeltes Entschlüsselungsgerät soll das Monopol in Anspruch genommen und so ungeahnter Gewinn erzielt werden.

Alle Bewohner des Mehrfamilienhauses, in dem Herr Fritz wohnt, sind auf wundersame Weise in die Verbrecherjagd einbezogen. Eine Dame aus der gleichen Etage ist eine investigative Journalistin, die Geheimnisse der verdeckten Ermittlung erkunden soll. Hinter der Süßwarenhändlerin Sweet Mama verbirgt sich die Aufsichtsratsvorsitzende des Syndikats. Ihr Sohn heißt Schimmelpfennig und ist Volontär im Büro des Herrn Fritz und dessen Sohn Pepe ein Bastlergenie, das dem Vater aus Legobausteinen eine überdimensional große Pistole fertigt. Die eigentlichen Helden aber sind zwei Mädchen: die Tochter von Herrn Fritz mit Namen Selma, die ihren Vater enttarnt und deshalb die Beteiligung am Abwehrkampf einfordert, und Ayse, die Tochter der Journalistin, die aufgrund ihrer mathematischen Begabung das Virus entschlüsselt, das Buchstabenwirrwarr in normale deutsche Sätze umwandelt und am Ende den Stecker zieht, der das Syndikat am Leben erhält.

Wundersame Dinge geschehen: Auf Herrn Fritz wird ein Kampfhund angesetzt, den der aber zu seinem Freund unfunktioniert; er wird per Schiff zum Bootsliegeplatz des wahren Chefs von M.O.N.S.T.R.E. beordert, zum Sprung von der Reling gezwungen, kann sich aber mit Hilfe eines seltsamen Tauchgeräts retten. Am Ende beschließen die Journalistin und Herr Fritz, in Zukunft zusammenzuarbeiten.

Franziska Hentschel hat als Regisseurin mit den berühmten »zwei Strich drüber« gearbeitet und mit augenzwinkernden Übertreibungen verhindert, dass die Kinder das Geschehen auf der Bühne für bare Münze nehmen. Die Mitglieder des Aufsichtsrats erscheinen auf einer zwölffach geteilten Filmleinwand und kommentieren mit überdeutlichen Gesten und Körperhaltungen die Verlautbarungen der Aufsichtsratsvorsitzenden. Bei der Überfahrt des Schiffes wird die Reling in rasender Geschwindigkeit mit Rettungsringen und anderen Bootsutensilien ausgestattet, und Sweet Mama wirft, mit ausgepolsterten Hüften und Riesenperücke ohne Ende Bonbons in den Zuschauerraum.

An manchen Stellen schießt die Regie jedoch in angestrengter Bebilderungswut übers Ziel hinaus. Dass Selma zu Beginn der Verbrecherjagd ängstlich geduckt umherschleicht und wiederholt die Pistole in Stellung bringt, als stünde sie einem Heer von Verbrechern gegenüber, hält eher auf, als dass es die Handlung vorantreiben könnte. In der Textbehandlung gibt es unübersehbare Stilbrüche. Während Marie Gesien als Selma und Lea Willkowsky als Ayse mit angestrengtem Nachdruck einzelne Textbausteine akzentuieren, als gelte es, den Sinn einem Kleinkind klar zu machen, lässt Johannes Hendrik Langer als Pepe die Worte gleichsam unbeteiligt aus dem Mund fallen und erzielt dadurch mit weniger Aufwand größere Aufmerksamkeit bei den Zuschauern. Dass die bis zum Schluss erhalten bleibt, ist dem Bühnenbild Jan Dreskes zu verdanken, das mit seinen schnell veränderbaren Minizimmern, die in eine Häuserwand eingelassen sind, ein hohes Spieltempo zulässt.

Nächste Vorstellungen: 16., 18.4.

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