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Gegen den Trend

Wolfsburgs Manager Klaus Allofs über VW, seinen VfL und 40 Millionen Chinesen

  • Lesedauer: 6 Min.
Klaus Allofs erlitt am Donnerstagabend mit Wolfsburg beim 1:4 im Viertelfinale der Europa League gegen den SSC Neapel einen Rückschlag. Optimistisch blickt der VfL-Geschäftsführer dennoch in die Zukunft. Mit dem 58-Jährigen sprach Frank Hellmann über die überraschend schnelle Entwicklung und das noch größere Potenzial des VfL, dessen verschiedene Arbeitsweisen einst in Bremen und jetzt in Wolfsburg und den Konflikt zwischen Leistungsgedanken und Spaß.

Sie lassen auf dem VfL-Campus bald Studenten Weiterbildungen zum Fußballmanager und in Sportbusiness-Management machen. Arbeiten Sie potenzielle Nachfolger ein?

Es passt zum VfL Wolfsburg, dass wir auch auf diesem Gebiet jungen Menschen eine Ausbildung anbieten. Wobei ich den Studenten, die wirklich diese Option im Kopf haben, mit auf den Weg geben möchte, nicht mit dem Ziel Bundesliga auf die berufliche Reise zu gehen. Aber wir bieten natürlich die Möglichkeit, bei Vorträgen unserer Geschäftsführung nahe an der Praxis zu sein.

Großes Netzwerk, beste Kontakte oder die berühmte Nase - was macht denn einen guten Sportdirektor, Geschäftsführer oder Manager im Profifußball aus?

Am besten von allem etwas. Die Aufgabenstellung ist je nach Verein und Funktion unterschiedlich, aber ich glaube, dass es hilft, wenn man selbst aktiv war - das muss gar nicht einmal im Spitzenbereich gewesen sein. Desweiteren muss man eine Vorstellung davon haben, wie ein Klub oder eine Mannschaft funktioniert. Und es ist gewiss kein Job, bei dem man nur am Schreibtisch sitzt. Man sollte auch das Fingerspitzengefühl besitzen, zu erkennen, wann eine Mannschaft Nähe braucht und wann auch mal Distanz. Und: Man muss Entscheidungen treffen, häufig sogar gegen den Trend.

Ist es da leichter, weniger Geld zu haben und immer wieder neue Stars zu entwickeln wie einst in Bremen oder viel Geld vernünftig einzusetzen wie in Wolfsburg?

Beide Varianten haben ihren Reiz. Höchste sportliche Ziel anzustreben, macht einfach großen Spaß. Der Vorteil in Wolfsburg ist, dass wir nicht auf Spielerverkäufe angewiesen sind, um wirtschaftlich arbeiten zu können.

Seit Ihrem Amtsantritt im November 2012 ging es stetig bergauf. Wolfsburg steht im Viertelfinale der Europa League, im Halbfinale des DFB-Pokals und ist Tabellenzweiter. Haben Sie diese Entwicklung erwartet?

Der VfL besitzt großes Potenzial. Erhofft haben wir die Entwicklung schon, aber dass sie so schnell vonstatten geht, haben wir nicht gedacht. Wir haben das Team mit Trainer Dieter Hecking gezielt und bewusst qualitativ nach und nach verbessert. Glückliche Umstände, wie die Möglichkeit, Luiz Gustavo, der beim FC Bayern nicht mehr allererste Wahl, oder Kevin De Bruyne, der in Chelsea kein Stammspieler war, zu verpflichten, haben das beschleunigt. Und auch die durchweg positive Entwicklung fast des gesamten Kaders.

Der Franzose Josuha Guilavogui sagt, er spiele mit Freunden zusammen. Wie kommt er dazu?

Es gibt klare Regeln, nach denen der Leistungsgedanke im Vordergrund stehen muss. Trotzdem kann man bei uns Spaß haben. Dabei die richtige Linie zu finden, ist nicht einfach, aber wir haben eine sehr intelligente Mannschaft, die erkannt hat, welche Chance sich ihr bietet.

Trotzdem hat Wolfsburg beim 1:4 gegen Neapel nicht seine Leistung abgerufen. Haben Sie eine Erklärung?

Wir haben gut angefangen, das erste Tor hat uns aber total aus dem Takt gebracht. Das müssen wir analysieren. Wir haben uns in diesem Jahr gut entwickelt, aber das war ein Spiel, auf das wir keine Antwort gefunden haben.

Ärgert Sie das?

Nach dem irregulären Tor haben wir die Nerven verloren. Neapel wurde durch diesen Treffer besser. Wir haben es dem Gegner zu einfach gemacht, im Viertelfinale muss man mehr tun.

Was wäre Ihnen in dieser Saison ein Titel wert?

Für mich wäre die direkte Qualifikation für die Champions League bereits wie ein Titel, denn für diese Saison war das in den Planungen nicht vorgesehen. Aber natürlich wäre es toll, ein Endspiel zu erreichen, wobei ich zwischen Europa League und DFB-Pokal keinen Unterschied machen will. Beispielsweise das Pokalfinale zu bestreiten, wäre ein Riesenschritt für Wolfsburg. Dann würden sich 25 000 oder 30 000 Menschen die knapp 200 Kilometer nach Berlin bewegen. Solche Erlebnisse schweißen eine Stadt und einen Verein zusammen.

Zurück zur Europa League: Die UEFA wird dort bald 381 Millionen Euro und damit 64 Prozent mehr als bisher ausschütten. Trägt das endlich dem gestiegenen Stellenwert Rechnung?

Ich halte es für richtig, diesen Wettbewerb aufzuwerten. Das Verhältnis der Prämien zwischen Champions und Europa League beträgt dann nur noch 3:1 statt 5:1. Auch hier sind jetzt nur Topmannschaften vertreten. Wir hatten den FC Everton und den OSC Lille in der Gruppenphase, in der K.o.-Runde Sporting Lissabon und Inter Mailand - wir lieben diesen Wettbewerb.

Das Nonplusultra bleibt aber die Champions League, in der an die Teilnehmer bald sagenhafte 1,25 Milliarden Euro verteilt werden.

Wir wollen auch mit dem VfL Wolfsburg Geld verdienen, und da würde uns eine Teilnahme sehr helfen. Sie würde aber nicht die Handlungsweise verändern, denn wir sagen ja ehrlich, dass der Transfer von André Schürrle im Winter ein Vorgriff auf die nächste Saison gewesen ist.

Dann könnte doch VW seine Bezuschussung zurückschrauben.

Das ist doch keine Bezuschussung!

Sondern?

Wir sind eine 100-prozentige Tochter der Volkswagen AG, die für sich erkannt hat, welch große Bedeutung das Engagement im Fußball besitzt. Und in Wolfsburg, der Keimzelle des Konzerns, hat der Bundesliga-Fußball noch einmal eine größere Bedeutung. Gleichwohl werden keine Geschenke gemacht, sondern dahinter steht ein echter Wert, ein klares Konzept der Verantwortlichen.

Und das wird trotz der Turbulenzen beim Mutterkonzern fortgeführt?

Sie werden verstehen, dass ich das nicht kommentiere.

Haben Sie seitens der UEFA in Bezug auf das Financial Fairplay kein Unheil mehr zu befürchten?

Da bin ich absolut ruhig. Die von uns in Nyon vorgelegten Zahlen sagen alles aus, und sie verbessern sich eigentlich stündlich. Durch Einnahmen aus der Europa League, durch den DFB-Pokal oder durch Medienpräsenz, wie der von 40 Millionen Chinesen verfolgten Pressekonferenz mit Xizhe Zhang.

Im Fokus steht vor allem Kevin De Bruyne, um den sich wöchentlich Spekulationen ranken. Dessen Berater Patrick De Koster sagte, seine Partei habe nicht vergessen, aus welcher Situation der VfL Wolfsburg den Spieler befreit habe. Bleiben Sie deshalb so gelassen?

Ich bin wirklich bei Kevin De Bruyne total entspannt. Nicht nur, weil mich mit dem Spieler und dem Berater eine längere gemeinsame Geschichte verbindet, aus der ein Vertrauensverhältnis erwachsen ist. Das Wichtigste wird sein, dass wir den Weg weitergehen, den wir umworbenen Spielern - wie auch Ricardo Rodriguez bei seiner Vertragsverlängerung - in Aussicht gestellt haben. Unsere Prognosen treten ein, und das Vorurteil verblasst. Wenn wir nächste Saison mit diesen Spielern in der Champions League antreten, müssen schon richtige Kaliber kommen, um einen Spieler davon zu überzeugen, hier wegzugehen.

Sie bestimmen den Preis, oder?

Wir sind in der besagten komfortablen Lage. Aber ich werde das beherzigen, was ich auch in Bremen vertreten habe: Uns helfen nur Spieler, die sich total mit dem VfL identifizieren und sich hier sportlich wohlfühlen.

Werden Sie noch einmal einen Angriff auf den FC Bayern ausrufen?

Wir sind nicht in München oder Hamburg. Es sind unverrückbare Fakten, dass in Wolfsburg das Stadion nur 30 000 Plätze, die Stadt nur 120 000 Einwohner hat. Da stellt sich die Frage, ob man damit den Bayern wirklich ein Konkurrent sein kann. Entscheidend ist für mich eher, in die ziemlich groß gewordene Lücke zu stoßen. Oder die Gruppe der Verfolger anzuführen.

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