Lebenswichtig für die Demokratie

Joachim Perels über den Nationalsozialismus als Problem der Gegenwart

Es ist unfassbar: Noch 1961 behauptete das Landgericht München I in seinem Urteil gegen SS-Hauptsturmführer Dr. Otto Bradfisch, der 15 000 Juden ermorden ließ und dabei selber mitgeschossen hatte, dass er »keine feindselige Einstellung gegenüber den Juden besessen habe«. Das Gericht verurteilte Bradfisch nicht wegen Täterschaft, sondern unterstellte, dass er »als leitendes Mitglied der SS lediglich Beihilfe geleistet hat.«

Die Umdeutung von Tätern in Gehilfen war kein Einzelfall, sondern gängige Rechtsprechung in der frühen Bundesrepublik. Das Beispiel Bradfisch zeigt deutlich, was die massenhafte Rückkehr der ehemaligen NS-Funktionseliten, besonders aus der Justiz, für die bundesdeutsche Gesellschaft bedeutete: massive Beschädigung des demokratischen Rechtsstaates und gleichzeitig Verhöhnung der millionenfachen Opfer.

Gegen die Umdeutungen der NS-Terrorherrschaft in einen de facto Rechtsstaat argumentiert der Hannoveran...


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