Freie Hand für Terroristen?

René Heilig bezweifelt, dass die deutsche Regierung wirklich eine Notbremse im Verhältnis BND-NSA gezogen hat

  • Lesedauer: 3 Min.

Angela Merkel, die Kanzlerin, wäre bereit, vor dem NSA-BND-Untersuchungsausschuss auszusagen, denn vieles sei da ja wohl noch aufzuarbeiten. Das hat sie – nachdem sie monatelang sprachlos war – jüngst gegenüber »Radio Bremen« erklärt. Wie huldvoll! Gnädigste wäre bereit… Unfug, wenn sie als Zeugin benannt wird, hat sie - wie Meier, Müller, Schulze, Neumann - zu erscheinen! Und die Wahrheit zu sagen, egal ob man sie vereidigt oder nicht. Doch seien wir nicht kleinlich – zumal ihr Erscheinen vor dem Ausschuss vorerst höchst unwahrscheinlich ist. Die Mehrheit der parlamentarischen Ermittler verhinderte am Donnerstag ja sogar die rasche Ladung der für die Geheimdienste politisch zuständigen Kanzleramtsminister - von Steinmeier (SPD) bis zu Altmaier (CDU). Die bleiben wohl noch eine Weile in Bereitschaft - als letzte Verteidigungslinie vor der Kanzlerin. Sie, die allzeit Aussagebereite, verteidigt unterdessen weiter die internationale Zusammenarbeit von Geheimdiensten. Gerade die USA leisteten unschätzbare Hilfe bei der Abwehr von Terrorismus. Merkel lässt auch nicht allzu viel Kritik an den deutschen BND herankommen, denn: »Angesichts der Sicherheitslage brauchen wir solche Dienste«, man müsse sich darum kümmern, »dass ihre Arbeitsfähigkeit gesichert ist«. Schließlich gehe es darum, »Leib und Leben von 80 Millionen Menschen zu schützen«, sagte die Kanzlerin aller Deutschen.

Doch nun gibt es Meldungen, ihr Kanzleramt habe den BND angewiesen, keine abgefangenen Internetinformationen mehr in die USA durchzustellen. Die NSA bekomme nur noch etwas vom BND, wenn sie zuvor für deutsche Beamte nachvollziehbar begründet, warum dieser oder jener abgezockt werden muss. Die US-Kollegen sollen, als sie dieses hörten, nur mit dem Zeigefinger an die Stirn gezeigt haben. Was – rein logisch bewertet – das Aus der angeblich so fruchtbaren nachrichtendienstlichen Kooperation sein müsste. Eine absurde Annahme! Auch Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom hält diese absichtsvoll in die Presse lancierte Meldung für nicht sehr glaubwürdig. »Nach der bisherigen Legitimationsstrategie für die geheime Zusammenarbeit wäre das ein Enthauptungsschlag für unsere Nachrichtendienste. Nichts geringeres.« Wohl wahr. Und wenn man uns bisher nicht die Unwahrheit gesagt hat, müsste ab sofort die Terrorgefahr in Deutschland ins Unermessliche steigen. All die Syrien- und Irak-Heimkehrer bleiben unbeobachtet, Proliferation kommt ins Blühen… Kurzum: Die Sicherheit der Bundesrepublik steht auf ganz, ganz wackeligen Beinen, wenn die Amerikaner und Briten die Kooperation einstellen.

Irgendetwas scheint da nicht zu stimmen. So wie auch an der Selbstentlastung des Innenministers Thomas de Maiziére (CDU), der sich am Mittwoch vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium an seine Zeit als Merkels Kanzleramtsminister erinnern sollte. Nie habe er etwas davon gehört, dass die NSA mit BND-Hilfe Wirtschaftsspionage betreibe. Erst recht nicht unter Freunden. Mal abgesehen von der Tatsache, dass der Vorwurf der ungesetzlichen Spionage-Beihilfe nicht nur auf den Wirtschaftsbereich begrenzt ist - freundlich formuliert meint Schmidt-Eenboom, dass der Minister da wohl sehr frei mit der Wahrheit umgeht. Sein Tipp: De Maizière solle doch mal beim einstigen für Finanzen zuständigen Ministerkollegen Peer Steinbrück (SPD) nachfragen. Der erinnert sich sicher, wie er so urplötzlich wie nachdrücklich von US-Seite über internationale Geschäftsstrategien deutscher Banken aufgeklärt worden ist, um die Weichen im Sinne der USA zu stellen. De Maizière könnte auch Merkel selbst fragen. Sie erinnert sich wohl noch daran, dass sie via US-Botschafter aufgefordert wurde, ein Geschäft mit Iran über die Lieferung deutscher Erdgasverflüssigungsanlagen zu verhindern. Die US-Dienste vermerkten in ihren Dokumenten zufrieden, die deutsche Kanzlerin habe versprochen, »informellen Druck zu entfalten«.

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