War der Bundespolizist mehrfach auffällig?

Beamte aus Hannover schikanierte offenbar auch Kollegen / Staatsanwaltschaft Hannover kritisiert Berichterstattung über Misshandlungen von Flüchtlingen

  • Florian Brand
  • Lesedauer: 3 Min.
Klima der Angst und des Schweigens: Der Bundespolizist aus Hannover, gegen den derzeit wegen mutmaßlicher Misshandlung von Flüchtlingen ermittelt wird, soll offenbar auch seine Kollegen bedroht und schikaniert haben. Ihm wird unter anderem sexuelle Nötigung vorgeworfen.

Er soll im Aufenthaltsraum seiner Dienststelle in Hannover seine Waffe auf einen Kollegen gerichtet und diesen zu sexuellen Handlungen gezwungen haben. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge, soll der Bundespolizist, dem vorgeworfen wird, zwei Flüchtlinge misshandelt und erniedrigt zu haben, sich nicht zum ersten Mal »daneben benommen« haben. Die Liste der Anschuldigungen, die zwei anonyme Polizisten nun gegen ihren Kollegen erhoben haben, scheint noch deutlich länger zu sein.

Neben Bedrohung mit geladener Dienstwaffe, sexueller Nötigung und die Misshandlung zweier Flüchtlinge haben Beamte nach Informationen von Spiegel Online bei einer Hausdurchsuchung auf dem Grundstück des 39 Jahre alten Polizeiobermeisters eine Langwaffe sichergestellt, für die er aber keinen Waffenschein besitze. Auch soll, den »Insidern« zufolge, auf der Wache im Hannoveraner Hauptbahnhof ein »lockerer Umgang« mit den Waffenvorschriften seit längerer Zeit normal gewesen sein.

Laut dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) herrschte in der Wache ein Klima der Angst und des Schweigens. Fragwürdig ist zudem, warum die Vorfälle erst jetzt ans Tageslicht kamen. Der Beamte soll sich seit längerer Zeit über den Kurznachrichtendienst Whatsapp mit seinen Taten gerühmt haben und Bilder von seinen Opfern gemacht und verschickt haben. Er wird mit den Worten zitiert: »Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Mit Einreiseverbot. Hab dem meine Finger in die Nase gesteckt. Und gewürgt. War witzig. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war so schön. Gequikt wie ein Schwein. Das war ein Geschenk von Allah.«

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Hannover die Berichterstattung in den Medien über die Misshandlungen von Flüchtlingen kritisiert. Es sei nicht wünschenswert, »dass alle diese Vorwürfe einzeln schon in den Medien breit getreten werden,« sagte Oberstaatsanwalt Thomas Klinge am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst. Für die Ermittlungen sei es nicht hilfreich, »dass sämtliche Zeugen, die wir vernehmen wollen, sich schon darauf vorbereiten können«.

Klinge kritisierte auch die beiden Anzeige-Erstatter, »die sich offensichtlich lieber zunächst im Fernsehen vernehmen lassen«. Der NDR hatte am Sonntag erstmals darüber berichtet, dass ein Bundespolizist in der Dienststelle im März und September vergangenen Jahres einen Afghanen und einen Marokkaner erniedrigt und misshandelt haben soll. In dem Bericht werden die zwei anonymen Beamte zitiert, die das Vorgehen bezeugen.

Klinge bestätigte auch den neuerlichen Bericht des NDR, in dem die sexuelle Nötigung und Bedrohung durch die Dienstwaffe offengelegt wurde. »Auch das ist Gegenstand der Strafanzeige«, betonte der Oberstaatsanwalt: »Es handelt sich um eine sehr lange Strafanzeige mit einer ganzen Reihe von Vorwürfen.« Im Verlauf der Ermittlungen müsse geklärt werden, was davon tatsächlich strafrechtlich relevant sei. Dazu müssten mehrere Zeugen vernommen werden. Die ersten Vernehmungen starteten noch in dieser Woche.

Nachdem die Vorwürfe bekannt wurden, zogen etwa 300 Demonstranten in einer Spontandemo zur Dienststelle der Bundespolizei am Hauptbahnhof und machten ihrem Ärger Luft. Bei der Kundgebung wurden zwei Polizisten leicht verletzt. Die Situation eskalierte, als 22 Beamte der Bundespolizei ihren Kollegen zur Verstärkung eilten. nd/mit Agenturen

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