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Die schwierige Frage mit dem Sofa

Blockupy fragt, wie man eine Massenbewegung werden kann

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach Blockupy ist vor Blockupy. Doch was kann dieses Krisenbündnis besser machen, fragen die Aktivisten.

Rund zwei Monate ist es her, da spuckte Blockupy der Europäischen Zentralbank (EZB) in die Suppe. Mitten in dem Drama zwischen der neuen SYRIZA-geführten Regierung in Athen und den grauen Institutionen (früher auch als Troika bekannt), deren Teil die EZB neben EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds ist, wollte die Zentralbank in Frankfurt am Main ihr neues Gebäude einweihen. Doch aus der Inszenierung wurde nichts. Stattdessen wurde der Tag zu einem Tag des Widerstandes gegen das autoritäre und neoliberale europäische Krisenregieme.

Brennende Barrikaden sowie eingeschlagene Schaufenster am Vormittag, eine 25000 Menschen große, friedliche Demonstration am Nachmittag und irgendwo dazwischen der angekündigte zivile Ungehorsam – Blockupy wurde trotz oder vielleicht auch wegen der Randale zum medialen Erfolg für das Bündnis. Fragt man die Aktivisten selbst, so war das Wesentliche jedoch, dass es das einzige transnationale Event seit langem war. Nicht nur aus Hamburg, Berlin und München kamen die Aktivisten nach Frankfurt, sondern auch aus Madrid, Rom, Stockholm und Thessaloniki. Man denkt nicht mehr nur im bundesweiten Rahmen, man ist jetzt zumindest europaweit vernetzt.

Blockupy ist also gut, setzt ein Zeichen. Doch 25000 Menschen sind noch längst keine Massenbewegung. Wie wird man mehr, so dass man am Ende vielleicht mit einer 100000 Menschen starken, paneuropäischen Demo an Kanzleramt und Finanzministerium rütteln kann? Diese Frage stellten die Krisenaktivisten am Dienstagabend. Sie luden in die schicken Räumlichkeiten der Sophiensäle in Berlin-Mitte. Denn Solidarität mit der griechische Bevölkerung und Widerstand gegen die deutsche Europolitik zu mobilisieren, ist eine Sisyphus-Arbeit. Man kann soviel organisieren, wie man will, man kann, so oft wie man will, die richtigen Argumente vortragen, am Ende bleibt die einhellige veröffentlichte Meinung doch dieselbe: nämlich dass Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble ihren Job eigentlich ganz gut machen.

Was soll Blockupy nun anders machen? Soll es noch professionellere Pressearbeit betreiben, wie es die beiden Journalisten nd-Chefredakteur Tom Strohschneider und Tagesspiegel-Redakteur Harald Schumann vorschlugen, den Reportern bei ihren Aktionen mundgerechte Faktenhäppchen und schöne Bilder liefern? Für die Aktivistin Tine Steiniger ist dies ein zweischneidiges Schwert. Klar, man spielt mit den Medien, will im Fernsehen und in den Zeitungen zu sehen und zu lesen sein. Doch noch mehr interessiert sie die unveröffentlichte Meinung der schweigenden Bevölkerung, von der 20 Prozent meinen, man brauche eine Revolution und gleichzeitig 70 Prozent von ihnen Merkel und Schäuble zustimmen.

Wie also diese noch passiven Menschen, die sich ihrem Ärger bisher nur im digitalen Stammtisch Facebook Luft verschaffen, vom Sofa auf die Straße bewegen? Keine leichte Aufgabe, denn 99 Prozent der deutschen Michel, wollen sich nicht damit beschäftigen, was mit ihrem Geld passiert, meint Journalist Schumann.

Denn Blockupy will weitermachen. Als erster Termin steht der 20. Juni in Berlin. Am Weltflüchtlingstag und Beginn der Griechenland-Solidaritätswoche des Weltsozialforums will Blockupy ein Zeichen für ein anderes Europa setzen. »Dieses Europa agiert nicht in unserem Namen«, heißt es in dem Aufruf, den auch Künstler, Kultur- und Medienschaffende unterschrieben haben. Das Versprechen von einem solidarischen Europa der Demokratie und der Menschenrechte müsse endlich erfüllt werden. Für den Aufruf am 20. Juni haben sich bislang Jakob Augstein, Goldene Zitronen, Dietmar Dath, Raul Zelik und Katja Kippig angekündigt.

Vielleicht liegt Blockupys Schwäche auch in seiner Stärke. Als europaweiter Krisenprotest hat es bisher noch nicht richtig geschafft, die sozialen Kämpfe im Alltag hierzulande sichtbar zu machen. Denn die gibt es, wie Tom Strohschneider meint. So könnten man die Streiks der GDL-Lokführer und der Erzieherinnen und Erzieher insofern als die größten Griechenland-Soli-Aktionen bezeichenen, die es bisher in Deutschland gibt. Doch diese Keime der Hoffnung gehen bisher meist in dem gegenwärtigen Medienbetrieb unter, der spätestens alle 48 Stunden einen neuen Aufreger braucht. Die größte Aufgabe von Blockupy wäre wohl, diese Alltagskämpfe zu verbinden und zusammen mit den Kämpfen in den Krisenländern einen gemeinsamen Ausdruck zu geben.

Eine Aufgabe übrigens, der sich die Aktivisten von Blockupy in der Vergangenheit mitunter schon gestellt haben. Am Frankfurter Flughafen etwa protestierte man Mitte 2013 gegen die deutsche Abschiebepraxis und im darauffolgenden Winter unterstützte man in Berlin den Einzelhandelsstreik. Vielleicht liegt Blockupy bei dem, was man macht, also nicht ganz falsch, sondern vielleicht sogar genau richtig.

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