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FelS macht sich auf zu neuen Ufern

Umbruch in der Linksradikalen Szene Berlins: Die Fusion in die IL ist keine Auflösung, sondern ein logischer Entwicklungsschritt

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 6 Min.
Die Gruppe Für eine linke Strömung (FelS) macht seit knapp 24 Jahren linksradikale Politik. In der 2005 gegründeten Interventionistischen Linken ist sie seit Jahren organisiert. Am Donnerstag gab die Gruppe ihre Fusion in die IL bekannt. Tine Steininger und Rico Feiterna von FelS sprachen mit dem »nd« über Ausblicke und Umbrüche.

FelS würde in diesem Sommer 24 Jahre alt. Warum löst sich die Gruppe jetzt auf?
Rico Feiterna: FelS löst sich ja nicht auf. Es ist eine Fusion in den größeren Zusammenhang IL (Interventionistische Linke), in dem wir schon lange sind und nun ist es ein Aufgehen in einer bundesweiten Organisation. Das stand als Ziel schon vor 24 Jahren in unserem Gründungspapier.

Tine Steininger: Es ist eigentlich kein großer Moment. Wir führen die Debatte seit Jahren und die Fusion ist der logische nächste Schritt. In Berlin eine größere linksradikale Struktur zu schaffen, ist wegweisend für eine bundesweite Organisation, die mehr gesellschaftliche Relevanz entfalten kann.

Die Interventionistische Linke
  • Die Interventionistische Linke (IL) wurde 2005 im Vorfeld der Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm als Bündnis aus verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen gegründet. Gemeinsam war dabei die Ansicht, auch kapitalismuskritische Linke dürften nicht ausschließlich kommentierend wirken, sondern müssten aktiv intervenieren, also sich ins Handgemenge der Diskussion begeben.
     
  • Heute ist die IL bundesweit vernetzt und in 22 Städten aktiv. Zuletzt nahm sie eine zentrale Stellung im Zusammenbringen verschiedener Akteure ein und wirkte an der Etablierung neuer Protestformen mit. Ein Grundsatz ist dabei, Aktionen des »zivilen Ungehorsam« jeweils einen verbindlichen und transparenten Aktionskonsens zu geben und so möglichst vielen Menschen, das Mitmachen zu ermöglichen.
  • Maßgeblich von der IL mitgetragene Kampagnen waren: die Massenblockaden gegen den G8-Gipfel 2007, die vom Bündnis Dresden Nazifrei! organisierten Massenproteste gegen und Blockaden des jährlichen Neonazi-Aufmarsches, das Care Revolution Netzwerk, Castor Schottern, die Solidarität mit Rojava und die Blockupy-Krisenproteste. sal

Feiterna: Es gibt eine bessere Ansprechbarkeit für Leute, die sich organisieren wollen. Die aber keiner kleinen Kiezgruppe beitreten möchten.

Steininger: Für die Fusion ist es wichtig, dass man versucht, diese kleinen Gruppenidentitäten, die oft ein bisschen szenig sind, zu überwinden. Und wir müssen in verschiedene Richtungen offen bleiben, um in gesellschaftlich breiten Zusammenhängen zusammen zu arbeiten.

Wie lange seid ihr bei FelS, und warum seid ihr der Gruppe beigetreten? In welchen Arbeitsgruppen wart ihr aktiv?

Steininger: Ich bin seit Herbst 2012 bei FelS und war durchgehend in der Krisen Ag. Vorher hatte ich schon zu dem Thema gearbeitet. Erst im »Wir zahlen nicht für eure Krise«-Bündnis, dann bei Blockupy. Aber ich wollte eine verbindlichere linksradikale Organisierung. Grade die Aktionsansätze und Organisationsvorstellung bei FelS waren das, was mich angesprochen hat.

Feiterna: Ich bin mittlerweile seit elf Jahren bei FelS. Vorher habe ich bestimmt zehn Jahre aus der Provinz mit der Gruppe geliebäugelt und immer gedacht »wenn ich nach Berlin komme, geh’ ich zu FelS«. Weil mich das Unprätentiöse und das Ansinnen, linksradikale Inhalte auf eine vermittelbare Ebene zu bringen, beeindruckt haben. Ich war hauptsächlich in der Intersol Ag aktiv, wo wir zu Flucht und Migration arbeiten.

Welche Projekte oder Ereignisse sind euch besonders in Erinnerung geblieben?

Feiterna: Der G8 Gipfel. Das war für uns eine neue Dimension damals. Über Tage die Belagerung aufrecht zuerhalten. Ich habe sehr viele gute Erinnerungen an die Zeit. Dazu gehören die großen Projekte wie Dresden Nazifrei, Castor Schottern oder der Existenzgeld-Kongress 1999. Aber eben auch viele kleinere Kampagnen.

Steininger: Für mich war das auch Castor Schottern. Oder Blockupy 2013. Der Kessel. Das ist, glaube ich, vielen in Erinnerung geblieben, das war für viele ein verbindendes Ereignis, neun Stunden zusammen rumzustehen.

Wann gab es die ersten ernsten Pläne, sich zu fusionieren?

Steininger: Im Prinzip gab es diese Überlegungen von Anfang an, denn das war die langfristige Idee bei IL-Gründung. Konkret diskutiert haben wir das 2012 mit der Arbeit am Kriterienpapier.

Feiterna: Wir haben uns bewusst Zeit gelassen mit mit dem Prozess, es war uns wichtig, alle mitzunehmen.

Steininger: Richtig. Es wäre ein Scheitern der IL gewesen, wenn man im Fusionsprozess der drei Gruppen soviele Menschen verloren hätte, dass die IL Berlin am Ende so klein wäre wie eine Gruppe vorher.

In Berlin gibt es noch viele weitere, kleinere Gruppen, sollen die der IL auch beitreten?

Feiterna: Ich würde das nicht so gegeneinander stellen. Für uns ist das ein Versuch, eine verbindliche bundesweite Organisationsstruktur zu verankern. Das Netzwerk gibt es auf beiden Ebenen, bundesweit und regional. Natürlich wollen wir weiter mit kleinen Gruppen zusammenarbeiten.

FelS ist mit rund 120 Mitgliedern keine kleine Gruppe. In der IL Berlin sind dann über 200 Menschen organisiert. Gab es Befürchtungen die künftige Organisation und Arbeitsprozesse betreffend?

Steininger: Das wird eine Herausforderung. Auf der einen Seite werden wir Organisationsstrukturen neu denken und ein bisschen experimentieren müssen. Wie man zum Beispiel Plena organisieren kann mit so vielen Menschen. Auf der anderen Seite haben wir in verschiedenen Arbeitsgruppen schon als IL gearbeitet. Auf der Ebene der konkreten Arbeit an den Projekten ändert sich nicht so viel.

Im vergangenen Herbst gab die ALB ihre Auflösung bekannt, Teile traten der IL bei. Die Berliner Ortsgruppe von Avanti löste sich ebenfalls in die IL auf. Nun wird es die große Gruppe Fels als solche nicht mehr geben. Ist die linke Szene in der Krise oder im Umbruch?

Feiterna: Ich sehe die Fusion nicht als besonderen Ausdruck der Krise. Im Vergleich zu südeuropäischen Ländern passiert hier an linker Mobilisierung nicht viel. Und wenn man auf die letzten hundert Jahre guckt, gab es da auch schon bessere Momente. Im Blick auf die vergangenen 20 Jahre ist das heute keine besondere Krise. Es spricht für eine konstruktive Debattenkultur und weniger Identitätspolitik, dass die Leute über ihren Schatten springen und bereit sind, sich zu vernetzen und breite Bündnisse einzugehen.

FelS fusioniert nicht aus einer Situation der Not heraus in die IL. Wir machen das nicht, weil wir perspektivlos sind und irgendwas probieren müssen. FelS ist eine gut gewachsene Gruppe. Die »Auflösung« ist ein logischer Schritt in der Weiterentwicklung.

Steininger: Der hoffentlich eine Strahlkraft hat in der linken Szene: Die IL stellt sich auf als verbindlicher linksradikaler Akteur und wird damit vielleicht attraktiver für Leute, die sich organisieren wollen.

Wird die arranca! weiterhin, oder wieder erscheinen? Die letzte Ausgabe ist 2013 gedruckt worden.

Feiterna: Das ist geplant, ja. Eine neue Nummer ist derzeit in Vorbereitung, mit dem Fokus auf Organisierungsprozesse. Dort werden viele Erfahrungen aus dem IL-Prozess mit einfließen.

Gibt’s eine Abschiedsparty? Oder eine Willkommensfete?

Feiterna: Ist geplant. Einen Termin gibt es noch nicht, aber da kann man sich bestimmt auf der Homepage informieren.

Hier gibt es die Erklärung von FelS zur Fusion.

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