Zelte statt Gülle auf der Wiese

Bernhard Raubal stellt sein Grundstück den G7-Gegnern zur Verfügung

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.

Grün ist sie, die Wiese am Rande von Garmisch-Partenkirchen, ein Heustadl steht darauf, es blühen Blumen. Auf dem 7000 Quadratmeter großen Gelände an der Loisach soll das Camp der G7-Gegner entstehen, dazu muss freilich noch die Gemeinde ihre Zustimmung geben. Falls nicht, empfehlen die Gegner den Protestierenden schon mal: »Seid voll ausgerüstet und darauf vorbereitet, im Zweifelsfall auch konfrontativ, also ›wild‹, zu campen.« Derweil laufen die Vorbereitungen für ein reguläres Camp weiter, man organisiert Zelte, Küchen und Sanitäreinrichtungen. Zur Not will man den Rechtsweg gehen.

»Die haben schon 30 Dixi-Klos bestellt«, weiß Bernhard Raubal, der Besitzer des Grundstücks. Der 48-jährige Maurermeister hat die Wiese vor fünf Jahren gekauft und stellt sie dem »Bündnis StopG7« zur Verfügung, der Mietvertrag ist schon geschlossen. »Man soll den Leuten mit ihren Argumenten eine Bühne geben«, meint er zu den Protesten gegen das Treffen der sieben Regierungschefs am 7. und 8. Juni im nahen Schloss Elmau. Einen »größenwahnsinnigen Anlass« nennt Raubal den Gipfel, der mit mehr als 20 000 Polizisten abgesichert werden wird.

Mit der Vermietung seines Grundstücks an die Campbetreiber steht der Einheimische ziemlich allein da in seiner heimischen Flur. Haben sich doch das bayerische Innenministerium und andere Behörden bisher reichlich Mühe gegeben, ein Protestcamp zu verhindern. Denn Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sind Zeltlager von Demonstranten ein Dorn im Auge und er warnt vor angeblich gewaltbereiten Gruppen. An Gemeinde und an Bauern ergingen Aufrufe, auf keinen Fall Flächen zur Verfügung zu stellen. Eine Behörde habe sogar angeregt, Flächen durch das Ausbringen von Gülle unbenutzbar zu machen und vermietungswillige Landwirte in der Gemeinde zu ächten; notfalls sollten den Campbetreibern unerfüllbare Auflagen gemacht werden. Mehrere Bürgermeister haben bestätigt, dass diese Empfehlungen ausgesprochen wurden. »Es hieß, wir sollen alles tun, um Camps zu verhindern«, so Helmut Dinter, Bürgermeister von Wessobrunn. Der Pressesprecher des bayerischen Innenministeriums räumte ein, sein Ministerium habe die Regierung von Oberbayern gebeten, die Kreisbehörden für das Thema zu »sensibilisieren«, um Camps »im Vorhinein zu verhindern«. »Wir wollen die Camps nicht«, stellte er klar.

Die G7-Gegner sehen es als normalen demokratischen Prozess an, dass sie ihren Protest im Rahmen eines Camps organisieren. Ebenso Bernhard Raubal. Sein Standpunkt unterscheidet sich auch in anderer Hinsicht von dem offizieller Stellen, etwa dem der Bayerischen Staatsforsten. Die sind eine Anstalt Öffentlichen Rechts und haben jetzt den Pachtvertrag für seine Gamshütte auslaufen lassen. Die Hütte liegt idyllisch in 940 Meter Höhe über Garmisch-Partenkirchen und ist ein beliebter Ausflugsort, gerühmt für ihren Kaiserschmarrn. Seit elf Jahren gehört sie Raubal und dort lebt er mit seiner Frau und den drei kleinen Töchtern. Der Grund aber gehört den Staatsforsten und die wollen den Pachtvertrag nicht über das Jahr 2015 hinaus verlängern. Für den Gastwirt bedeutet das, seine Hütte entweder zu verkaufen oder abzureißen.

Wer dort einkehrt, dem wird klar, dass Raubal eines gewiss nicht ist, ein »Zugereister«. Geboren ist er zwar in Wolnzach in der Holledau, aufgewachsen aber in Garmisch. In der Hütte hängt eine Urkunde mit einem Förderpreis von 2013: »Für die Verwendung der süddeutschen - bayerischen - Hochsprache bei der Bezeichnung des Speisenangebots«, unterzeichnet vom »Förderverein Bayerische Sprache und Dialekte, Landschaftsverband Werdenfels-Ammergau-Staffelsee«.

Mit den Bayerischen Staatsforsten hatte Raubal einen Vertrag bis 2011, danach sei dieser aber nicht mehr ordnungsgemäß verlängert worden, so der Vorwurf. Der Wirt sieht das anders: Man habe am 17. März 2011 die Sache mit Handschlag besiegelt. Warum man ihn jetzt raushaben wolle, wisse er nicht. »Es heißt, mein Opa habe gewildert und der Raubal kann sich nicht unterordnen«, sagt er in Richtung Forstverwaltung Oberammergau. Er vermutet auch ökonomische Interessen, vielleicht wollten Spekulanten das Grundstück haben. Ein Garmisch-Partenkirchener hat sogar auf Facebook die Seite »Rettet die Gamshütte« eingerichtet.

Am vergangenen Donnerstag ging beim Oberlandesgericht München der letzte Akt des Hüttendramas über die Bühne. Das Gericht lehnte eine Revision des Urteils vom 17.10.2014 ab, die Vorinstanz hatte darin die Räumungsklage bestätigt. Raubal seinerseits lehnte erneut eine Entschädigung von 250 000 Euro für die Hütte als zu wenig ab. Jetzt wird er das Gebäude bis zum 30. November diesen Jahres abreißen.

Doch zurück zur Camp-Wiese und dem G7-Gipfel. Den möchte der Wirt am liebsten auf einem Flugzeugträger auf offener See sehen. Viele Wirte würden rund um den Gipfel-Termin ihre Gaststätten schließen, Raubal: »Die Gäste bleiben weg.« All die Sperren, Polizeikontrollen und Sicherheitszonen, das sei doch schlecht für die Geschäftsleute in der Region. Auch er selbst zieht Konsequenzen während des Gipfels: »Seit Jahren haben wir bis jeweils Montags durchgehend geöffnet gehabt. Aber jetzt sperr’ ich zu, wir fahren eine Woche weg.«

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