Full House zum Auftakt am Freitagabend

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 2 Min.

Fast 2000 sind ins John Jay College geströmt. Wer im Auditorium keinen Platz findet, verfolgt die Podiumsbeiträge an Bildschirmen in Nebenräumen mit. Dabei tritt weder US-linke Prominenz auf noch geht es um US-linke Bauchpinselei.

Das Interesse an politischen Entwicklungen Ländern, die Einige nur mit Mühe auf der Landkarte verorten können, ist riesig. Denn das Eröffnungsplenum verspricht Spannendes: Handelt es sich bei Syriza, Podemos, beim Linksblock und bei der Linken um revolutionäre europäische Politik?

Die Antworten fallen der Wahrheit entsprechend negativ aus. Die aus Portugal stammende Wahl-Berlinerin und Blockupy-Aktivistin Caterina Principe berichtet von der Rückkehr des Klassenbegriffs in den neuen Antiausteritätsbewegungen, wenn auch in anderem Gewand, etwa den »99 Prozent gegen das eine Prozent«. Nationale, länderübergreifende Solidarität sei »eine Waffe«: Linke und linkspopulistische Parteien mit Basisorientierung seien gerade in solchen Krisenzeiten unverzichtbar. »Wir sind grösser und wichtiger als wir uns das momentan vorstellen können«, sagt sie, »die Linke muss in den Bewegungen Wurzeln schlagen«. Vorstellen kann sie sich dann »nicht-reformistische Reformen«.

Auch Eduardo Maura von Podemos erklärt die Bedeutung der »Politik von unten«, die innerhalb weniger Jahre in Spanien zu einem neuen »common sense« geführt habe. Jetzt gehe es darum, »eine neue soziale Mehrheit« auszubauen. Von Revolution spricht auch er nicht.

Der 78-jährige Athener Marxist und Syriza-Abgeordnete Konstantinos Tsoukalas kritisierte die mediale Entstellung der griechischen Krise. Es handele sich nicht um eine »humanitäre Krise«, sondern um eine »totale Systemkrise«. Schäuble predige nach wie vor den »Washington consensus«. Europa sei, mehr noch als die USA, die am meisten neoliberale Formation weltweit, Griechenland diene seien neoliberalen Eliten als politisches Experiment.

Zum Abschluss stellte der Professor für politische Ökonomie an der York University im kanadischen Toronto Leo Panich, der gerade aus Griechenland zurückgekehrt war, seine Sicht der Krise in einen politischen und historischen Kontext. Die Syriza-Regierung angesichts des Drucks von aussen zu progressiven Schritten, etwa der Mobilisierung der Bevölkerung, nicht in der Lage, die ausserparlamentarische Bewegung befinde sich in einer Quasi-Starre. Ein riesiges Problem sieht Panich in der Schwäche linker, grüner und sozialdemokratischer Parteien und Bewegungen in westeuropäischen Kernländern wie Deutschland, aber auch Skandinaviens. Auch von den Gewerkschaften sei wenig zu hören. Das Kräfteverhältnis sei dort im Gegensatz zu Irland, Griechenland und Spanien leider das alte geblieben. »Wir sind das Problem«, rief Panich denen ins Gewissen, die Syriza oder Podemos eine zu nachgiebige Politik gegenüber der Troika vorhalten.

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