Trauer im Wildparkstadion

Nach der verpassten Relegation gegen den HSV hadert Karlsruhe mit sich und dem Referee

Beim Karlsruher SC ebbt die Wut über Schiedsrichter Manuel Gräfe nicht ab. Nun soll in der kommenden Spielzeit erneut Anlauf auf die erste Liga genommen werden.

Jens Todt hatte extra seine Familie aus Potsdam nach Karlsruhe geholt. Bei einem möglichen Aufstieg sollten die drei Kinder mit dem Papa, den sie so selten sehen, zusammen feiern. Doch aus der rauschenden Party wurde nichts. Und der Karlsruher Sportdirektor wusste auch, an wem das lag: Schiedsrichter Manuel Gräfe hatte sich eine gravierende Fehlentscheidung geleistet, als er in der ersten Minute der Nachspielzeit einen Freistoß für den HSV pfiff, den Marcelo Diaz prompt zum 1:1 verwandelte. In der Verlängerung setzte sich schließlich der HSV durch (Nicolas Müller/115.). Doch zu der war es eben nur gekommen, weil Gräfe einer Sinnestäuschung erlegen war. Denn Karlsruhes Jonas Meffert war beim Schuss von Slobodan Rajkovic weder aktiv mit der Hand zum Ball gegangen, noch hatte er die Körperfläche vergrößert, als ihm der Ball an den Armstumpf sprang. »Augen auf bei der Berufswahl«, sagte Todt. »Das kann und darf man nicht pfeifen«, sagte Todt, der sich unmittelbar nach Schlusspfiff noch angefressener gezeigt hatte.

Im Hamburger Lager sah man das alles wohl nicht anders, doch waren Diskussionen über eine Schiedsrichterentscheidung nicht das Hauptthema bei den Rothosen, aus deren Kabine laute Jubelgesänge erschallten. Noch in den Morgenstunden des Dienstags sah man Offizielle und Spieler in der Kneipe »Erikas Eck« am Hamburger Schlachthof. Mittendrin: Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer und Bruno Labbadia. Der Hamburger Trainer, der erst Mitte April das Ruder von Peter Knäbel übernommen hatte, zeigte sich nach »sechs brutal nervenaufreibenden Wochen« erschöpft. Doch Labbadia hatte auch die Größe, dem Gegner Respekt zu zollen. »Es ist unglaublich, was ihr uns in den beiden Spielen abverlangt habt. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn wir das Spiel nicht gewonnen hätten.«

Wer derweil auf Labbadias Kollegen Markus Kauczinski blickte, bekam eine ungefähre Ahnung davon, wie man sich beim KSC fühlte. »Natürlich ist der HSV individuell besser besetzt«, sagte der Karlsruher Trainer. »Aber ich finde, wir haben das in beiden Relegationsspielen mit Herz und Leidenschaft wettgemacht.« Kauczinski und Todt sah man an, dass sie nun am liebsten gegangen wären. Sich unmittelbar nach dem Abpfiff mit der Zweitligasaison, die schon Ende Juli wieder beginnt, zu beschäftigen, war auch viel verlangt. Der Sportdirektor fand dann aber doch noch ein paar Worte, die optimistisch klangen: »Ich bin sicher, dass uns diese Erfahrung stärken wird. Diese Woche wird uns das hier noch runterziehen, aber nicht dauerhaft...«

Zumindest die Pressestelle der Karlsruher hat sich nicht dauerhaft runterziehen lassen und gleich am Dienstag die ersten Termine der Saisonvorbereitung herumgeschickt: Am 25. Juni ist Trainingsauftakt. Davon dass der von Kauczinski geleitet wird, kann man ausgehen, auch wenn der Westfale, dessen Handschrift beim KSC-Team klar zu erkennen ist, dem Vernehmen nach auch bei einigen Erstligisten Interesse weckt - eine Verlängerung des 2016 auslaufenden Vertrags dürfte schwierig werden.

Sein letztes Spiel im Wildpark hat hingegen mit ziemlicher Sicherheit Reinhold Yabo absolviert. Auch wenn der Deutsch-Kongolese nach dem Spiel um Verständnis dafür bat, dass er sich nicht zu seiner persönlichen Situation äußern wird - der flinke und dynamische Mittelfeldmann will in die erste Liga. Eintracht Frankfurt scheint einer der heißesten Anwärter zu sein. Yabo und Ergänzungsspieler Silvano Varnhagen sind allerdings die einzigen Akteure, deren Verträge im Sommer auslaufen. Sollte beispielsweise Zweitliga-Torschützenkönig Rouwen Hennings (17 Treffer) abgeworben werden, könnte der KSC das verhindern. Zumal man in der kommenden Saison mit einem besseren Kader antreten will.

Die Defizite im Kader sind dabei schnell benannt: Sie liegen in der Offensive, wo es bislang kaum eine sinnvolle Alternative zu Hennings gab. Kauczinski und Todt fahnden deshalb nach einem hochgewachsenen, kopfballstarken Stürmer und sollen ein Auge auf Sebastian Polter geworfen haben. Der Angreifer war von Mainz an Union Berlin ausgeliehen, will aber offenbar nicht zu den Rheinhessen zurück. Noch konkreter scheint das Interesse an einem ehemaligen Freiburger zu sein: Karim Matmour, von dem sich der FC Kaiserslautern trennen will, könnte schon bald als prominenter Zugang verkündet werden.

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