Bilderbücher statt Bilderberger

Erstmals demonstrierten Bürger gegen das Geheimtreffen der Mächtigen in Österreich

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Hinter verschlossenen Türen, aber nicht mehr ganz geheim: Von der exklusiven Bilderberg-Konferenz wussten die Kritiker Datum, Ort und Namen und waren in diesem Jahr ebenfalls zur Stelle.

Wo war Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am vergangenen Wochenende? Hinter den Bergen bei den sieben Zwergen? So ähnlich. Sie war in den Tiroler Bergen rund um Telfs nahe Innsbruck bei der sogenannten Bilderberg-Konferenz, aber ihre Gesprächspartner waren keine politischen Zwerge, sondern die Mächtigen und Einflussreichen dieser Welt. Und das alles privat in einem abgelegenen und von der Polizei und der Armee abgeschotteten Luxushotel. Und weil Frau von der Leyen dort war, weil sie sich nicht als Hausfrau um ihre sieben Kinder kümmerte, sondern derzeit das öffentliche Amt der Verteidigungsministerin bekleidet, mag niemand so recht an den »privaten« Charakter der Veranstaltung glauben. Auch deshalb organisierten Kritiker der Bilderberger erstmals eine Alternativveranstaltung in Innsbruck und am Samstag eine Demonstration in Telfs.

Eine Menge Banker waren da, Geheimdienstleute und Hochadel auch, Politiker sowieso. Von A wie Paul Achleitner (Chef der Deutschen Bank) über K wie Henry Kissinger (US-Politiker) bis Z wie Robert Zoellick (Vorstand Goldmann Sachs). Gerüchten zufolge angeblich auch Bernd Lucke, AfD-Vorsitzender. Ein Gipfeltreffen der Macht in den Bergen, nur ohne Öffentlichkeit wie beim G7-Gipfel. Sondern seit 1954 geheim gehalten und abgeschirmt. Und auch dieses Mal wurde eine ganze Region von der Polizei abgeriegelt. Vom Leutschachtal her sicherte eine getarnte, mobile Radaranlage des österreichischen Heeres den Luftraum über dem »Interalpen-Hotel«, von Telfs aus sperrte die Polizei mit einem Kontrollpunkt die Zufahrt. Dem gegenüber protestierte am Samstag eine kleine Gruppe von Konferenzgegnern, der Hauptprotest sollte mit einer bunten Demonstration durch Telfs erfolgen.

»Wir fordern Aufklärung von den Medien«, stand auf einem der Protestplakate am Kontrollpunkt zu lesen. Aufklärung, das war auch das Anliegen einer Veranstaltung, die Konferenzkritiker in Innsbruck organisiert hatten. Ein wenig Licht ins Bilderberg-Dunkel brachte Björn Wendt, Soziologe aus Münster, der seine Abschlussarbeit über das geheime Treffen geschrieben hat. Klar ist, dass die Bilderberg-Konferenz eine lange Tradition aufweist, seit dem ersten Treffen 1954 gab es bisher insgesamt rund 2500 Teilnehmer. Heute sind mit dabei die Superreichen aus Industrie und IT-Branche und die Spitzen von Institutionen wie EU-Kommission, WTO, IWF, NATO und NSA. Finanziert wird das noble Treffen von Konzernen wie Microsoft, Exxon, Coca Cola oder Ford sowie von Privatpersonen. Für den Soziologen selbst geht es bei den Bilderbergern durchaus um Machtfragen, hier würden Personalentscheidungen angebahnt, es gehe auch um das Vermögen, Themen zu setzen, hier werde »soziales Kapital«, also Beziehungen, der Zugang zu einflussreichen Kreisen und Personen, angehäuft.

Fragen der Macht, die standen auch bei den anderen Referenten der Alternativveranstaltung im Mittelpunkt. Die Innsbrucker Soziologin Alexandra Weiß thematisierte die zunehmende »Freiheit der Eliten« in dem fortwährenden Siegeszug des Neoliberalismus und die damit einhergehende Verschärfung sozialer Ungleichheit. Der Wiener Wirtschaftshistoriker Hannes Hofbauer sprach über die »Diktatur des Kapitals« und warnte vor »postdemokratischen Verhältnissen« angesichts der Vorherrschaft der Ökonomie. Walter Baier, Ex-Vorsitzender der KPÖ, verglich die gegenwärtige Situation mit der Zeit der 1920er Jahre und warnte vor einem erneuten »Krisenausgang nach rechts«.

Die Alternativkonferenz in Innsbruck war Auftakt für den am nächsten Tag folgenden Protestmarsch durch die 15 000 Einwohner zählende Marktgemeinde Telfs. »Wir sind nicht einverstanden, dass sich demokratisch gewählte Politiker hinter verschlossenen Türen mit Vertretern von Militär, Geheimdiensten, Banken und Großkonzernen treffen«, kritisierten die Organisatoren. Unzufrieden sind sie auch, dass der Steuerzahler mit dem Einsatz von 2000 Polizisten und der Einrichtung einer Flugverbotszone für die »private« Veranstaltung aufkommen musste. »Sie mauscheln hinter verschlossenen Türen, wir zahlen die Gebühren«, war auf einem Plakat zu lesen. Andere Transparente verkündeten: »Wir sind das Volk, ihr seid die Macht« oder »Klassenkampf statt Verschwörungstheorie«. Ein Elternpaar mit einem kleinen Sohn hatte ein Schild mit der Aufschrift: »Lieber Bilderbuch schauen als Bilderberg-Treffen« gemalt.

An der Demonstration vor dem Panorama der Tiroler Berge, wo sich die Bilderberger in dem Nobelhotel bis Sonntag aufhielten, beteiligten sich rund 800 Menschen. Anders als im nahen Bayern, wo die Proteste gegen den G7-Gipfel durch Polizeimacht nahezu erstickt wurden, achtet man in Österreich noch die Versammlungsfreiheit, die Polizeipräsenz war gegeben, aber nicht derart repressiv.

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