Ein Schlag in den Wassertourismus

Sternfahrt gegen verkürzte Betriebszeiten von Schleusen angekündigt

Statt um 22 Uhr ist nun an den Schleusen Woltersdorf, Neue Mühle, Kummersdorf, Storkow und Wendisch-Rietz schon um 18 Uhr Betriebsschluss. Tourismusbranche und Landespolitik sind empört.

Schleuse zu, Feierabend! Wenn Freizeitkapitänen und Wassersportlern dies geschieht, sind sie aufgeschmissen. Schon oft hat Michael Wippold geholfen. Bis zu sieben Paddelboote und Kanus hat er an sein Motorboot angeleint und zur nächsten Schleuse geschleppt, damit die Menschen rechtzeitig vor Betriebsschluss dort sind.

Aber nun kürzte die Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Betriebszeiten der Schleusen Woltersdorf, Neue Mühle, Kummersdorf, Storkow und Wendisch-Rietz. Vom 1. April bis Ende Oktober sind diese täglich nur noch von 8.30 bis 18 Uhr geöffnet. Bisher war erst 20 Uhr Schluss, zwischen Juni und August sogar erst um 22 Uhr. Mit den neuen Zeiten sind bestimmte beliebte Tagestouren nicht mehr möglich, weil der Weg zurück in den Heimathafen abgeschnitten ist.

Aufgrund der jährlichen Stelleneinsparauflagen seit 1993 liege das Durchschnittsalter der Beschäftigten sehr hoch, begründet die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt die Kürzung der Betriebszeiten. Dies und die Rente mit 63 haben zu »erheblichen Personalabgängen im Betriebs- und Streckendienst« geführt, erläutert Dezernatsleiter Burkhard Knuth. Kurzfristig seien diese Leute nicht zu ersetzen gewesen.

Um Einschränkungen insbesondere für die Fahrgastschifffahrt bei den großen Schleusen wie Mühlendamm, Kleinmachnow, Spandau oder Charlottenburg zu vermeiden, seien die Schleusen Woltersdorf, Neue Mühle, Kummersdorf, Storkow und Wendisch-Rietz von Zwei- auf Ein-Schicht-Betrieb umgestellt worden. Dabei seien die Hauptverkehrszeiten berücksichtigt worden. Denn bei einer Analyse der Schleusendurchgänge im Jahr 2014 sei aufgefallen, dass mehr als 90 Prozent der Fahrzeuge auch mit einem Ein-Schicht-Betrieb bedient werden können. »Zukünftig sollen die von der Sport- und Freizeitschifffahrt genutzten Schleusen für die Selbstbedienung umgebaut werden und durch eine Leitzentrale fernüberwacht werden«, verspricht Knuth.

»Der Bund spart hier an der völlig falschen Stelle und sägt uns den Ast ab, auf dem wir sitzen«, schimpfte Peter Krause, Geschäftsführer des Landestourismusverbandes. »Die Einschränkung der Schleusenzeiten führt zu einer Abwertung des Wasserreviers, was sich zweifelsfrei langfristig auch negativ auf die Besucher- und Übernachtungszahlen auswirken wird.« Allein die Schleuse Neue Mühle werde jährlich von etwa 20 000 Wasserfahrzeugen passiert. Von Mai bis August komme es hier zu langen Wartezeiten. Viele Touristen und Berliner Ausflügler seien auf die Schleusung in Neue Mühle angewiesen, um in die Teupitzer und Storkower Gewässer, in den Scharmützelsee und in den Spreewald zu gelangen, führte Krause aus. Die verkürzten Schleusenzeiten werden nach seiner Ansicht dazu führen, dass so mancher Stammgast über ein anderes Urlaubsziel nachdenkt.

Ähnlich äußerte sich Susanne Thien. Die Geschäftsführerin des Tourismusverbandes Dahme-Seenland mahnte, die Existenz der Bootsverleiher sei gefährdet.

Auch die SPD-Landtagsfraktion machte sich Sorgen um die Zukunft des Wassertourismus. Der Bund sende höchst widersprüchliche Signale, bemängelte der Abgeordnete Björn Lüttmann. »Zum einen verspricht er noch für dieses Jahr ein Wassertourismuskonzept. Zum anderen droht er, sich aus der Sicherung und dem Betrieb der für den Tourismus in Brandenburg wichtigen Bundeswasserstraßen zurückzuziehen. Auch die aktuelle Verkürzung von Schleusenöffnungszeiten zum Start der Saison ist ein Warnsignal.«

Die SPD holte nicht nur den Koalitionspartner LINKE ins Boot, sondern auch die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne. Gemeinsam beauftragten die vier Parteien die Landesregierung, sich für eine Rückkehr zu den bisherigen Schleusenbetriebszeiten einzusetzen.

Im kommerziellen Wassertourismus werden in Berlin und Brandenburg pro Jahr 200 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Dazu kommen noch die Einnahmen der Gastronomie. Der Tourismus sei ein stabiler Wirtschaftsfaktor, steht in dem Landtagsbeschluss. Zudem präge der Tourismus ein positives Image Brandenburgs als weltoffenes, attraktives und gastfreundliches Bundesland.

Doch alle Bemühungen, die Schifffahrtsverwaltung zum Einlenken zu bewegen, blieben bislang erfolglos. Darum ruft der Landtagsabgeordnete Stefan Ludwig (LINKE) jetzt zu einer Sternfahrt auf dem Wasser auf. Der genaue Termin soll erst demnächst gefunden und bekannt gemacht werden. Ziel ist auf der Spree der Bundestag in Berlin. Mitmachen sollen Sportler, Verbände, Werften und Häfen - »alle die künftig mit und von ungehinderten Wasserwegen leben wollen«. Das Motto der Sternfahrt: »Der Bund gräbt unserer Region das Wasser ab.« Ludwig betont: »Unsere für alle frei nutzbaren Wasserstraßen sind Lebensadern für die Wirtschaft, den Tourismus und die Erholung in unserer Region. Sie sind historischer Bestandteil unserer Lebensqualität und Lebenskultur. Sie dürfen weder durch behördliche Willkür noch per Gesetz eingeengt werden.«

Es reiche nun, nachdem der Bund ignorant die Landespolitik habe abblitzen lassen, so Ludwig. Das Fass zum Überlaufen brachte die Ankündigung einer Maut für Sportboote ab August 2018.

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