Liberales Minderheitskabinett regiert Dänemark

Andere bürgerliche Parteien wollten keine Verantwortung übernehmen / Volksabstimmung zu EU-Rechtsvorbehalt noch in diesem Jahr

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Dänemarks neue Minderheitsregierung will noch in dieser Woche einen Vorschlag für strengere Asylregelungen machen.

Selten in der dänischen Geschichte ist eine Regierungsbildung paradoxer gewesen ist die jüngste. Trotz starker Stimmenverluste wird die liberale Venstre-Partei, die nur drittstärkste Kraft bei der Wahl, jetzt die alleinige Regierungsverantwortung übernehmen, während die sozialdemokratische als größte Partei im Parlament in die Opposition geht. Der Gründe dafür sind die Stimmenverluste für Mitte-Links-Parteien und die offensichtliche Unlust im bürgerlichen Lager, Regierungsverantwortung zu übernehmen und dafür tief greifende Differenzen zu überwinden.

Auch die nationalkonservative Dänische Volkspartei, nunmehr zweitstärkste Kraft mit den größten Stimmengewinnen, will von außen Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen. Diese Taktik scheint vorläufig aufzugehen, denn Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen kündigte bereits an, in den nächsten Tagen einen Gesetzesvorschlag einzubringen, der Asylbewerbern ökonomische Anreize nehmen soll, nach Dänemark zu kommen. Einzelheiten nannte er bislang nicht. Mit Inger Støjberg wird eine Integrationsministerin die Zügel in die Hand nehmen, die für einen harten Kurs bekannt ist. Der neue Justizminister Søren Pind hat sich bereits öffentlich als der neue Sheriff vorgestellt, der mit harter für Ordnung sorgen will.

In Sachen Arbeitsmarkt wird mit Jørn Neergaard Larsen ein früherer Direktor des Arbeitgeberverbandes Minister. Neergard hat sich in der Vergangenheit mehrfach für Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Sozialleistungen ausgesprochen. Seine Ernennung entspricht nicht nur den ökonomischen Vorstellungen der Venstre-Partei, sondern auch jenen der Liberalen Allianz, die neoliberale Ziele verficht. Im Regierungsprogramm werden Steuererleichterungen für Kleinverdiener angekündigt und, falls finanziell möglich, auch für Spitzenverdiener.

Mit diesen Ministerernennungen und dem generellen ökonomischen Kurs hat Rasmussen es zunächst geschafft, sich der Unterstützung der wichtigsten Allianzpartner zu versichern. Für die parlamentarische Mehrheitsbeschaffung wird er allerdings kräftig navigieren und darauf bauen müssen, für wichtige Beschlüsse auch die Sozialdemokraten bzw. andere Parteien zu gewinnen.

Rasmussen machte selbst darauf aufmerksam, dass diese Aufgabe sehr schwierig sein werde. Dementsprechend sind die Erwartungen in den Medien an die Durchschlagskraft der Minderheitenregierung auch gering. Historisch gesehen haben solche Regierungen nur kurze Lebenszeiten in Dänemark, aber Rasmussen setzt offensichtlich darauf, durch Kompromiss- und Verhandlungsbereitschaft über unmittelbaren Koalitionspartner hinaus eine effektive Regierung ausüben zu können.

Die erste große Bewährungsprobe wird es noch in diesem Herbst geben, wenn die Bürger an die Wahlurnen gerufen werden sollen, um über den dänischen Vorbehalt zur EU-Rechtspolitik abzustimmen. Dieser war 1992 notwendig geworden, um über eine zweite Abstimmung den Beitritt zum Maastricht-Vertrag zu sichern. Ob sich die Dänische Volkspartei mit ihrem Vorschlag für Grenzkontrollen ähnlich den britischen und irischen Ausnahmen von den Schengen-Regeln durchsetzen kann, ist gegenwärtig aber noch unklar.

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