AfD-Austrittswelle nach Luckes Abgang

»Weckruf«-Mitglieder mehrheitlich für Gründung einer neuen Partei / Lucke kündigte Austritt für Freitag an

  • Lesedauer: 6 Min.
Bernd Lucke will am Freitag aus der Rechtspartei austreten - weil ihm der Petry-Kurs zu weit nach rechts geht. Sein Abgang fürt zu einer Austrittswelle. »Weckruf 2015« könnte zu einer neuen Partei werden.

Update 16.10 Uhr: Lucke-Anhänger mehrheitlich für Gründung einer neuen Partei
Die Anhänger des früheren AfD-Chefs Bernd Lucke haben sich mit großer Mehrheit für die Gründung einer neuen Partei ausgesprochen. Die Mitglieder des von Lucke innerhalb der AfD gegründeten Vereins Weckruf 2015 votierten in einer Mitgliederbefragung zu 75 Prozent für die Neugründung einer neuen Partei, wie ein Weckruf-Sprecher am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP sagte. Zudem gaben demnach mehr als 58 Prozent an, dass sie die AfD bereits verlassen hätten oder dies definitiv planten.

Weitere knapp 25 Prozent der Weckruf-Mitglieder wollen der Umfrage zufolge ihren Verbleib in der AfD von Lucke abhängig machen - der am Mittwoch seinen Austritt aus der Partei erklärt hatte. An der Umfrage beteiligten sich dem Sprecher zufolge knapp 2600 der fast 4000 Weckruf-Mitglieder.

Update 14.35 Uhr: Mitgliederschwund bei der AfD in Bayern
Auch der bayerische AfD-Landesverband leider nach dem Bundesparteitag unter Mitgliederschwund. »Wir haben aktuell tatsächlich sehr viele Austritte«, sagte Vorsitzender André Wächter am Donnerstag. Seit dem Bundesparteitag seien in Bayern rund 200 Mitglieder von zuvor etwa 3000 ausgetreten.

Dabei seien die Mitglieder aus Bayern nicht berücksichtigt, die sich möglicherweise in der Zentrale in Berlin abgemeldet haben - sondern lediglich die, die ihren Austritt bei der AfD in München mitgeteilt haben, erklärte Wächter. »Die Rücktritte sind schon ein schmerzlicher Verlust, weil es sich hauptsächlich um aktive Mitglieder handelt.«

Nach der Niederlage des liberal-konservativen Flügel auf dem zurückliegenden Parteitag hatte bereits am Montag in München AfD-Gründungsmitglied Dagmar Metzger gemeinsam mit anderen Parteikollegen ihren Austritt bekanntgegeben.

Update 13.00 Uhr: Etwa jedes zehnte AfD-Mitglied würde Lucke in neue Partei folgen
Etwa jedes zehnte Mitglied der AfD wäre bei einer Parteineugründung durch den ehemaligen Vorsitzenden Bernd Lucke mit dabei. Bei einer Umfrage unter den rund 4.000 Mitgliedern des von Lucke gegründeten Vereins »Weckruf 2015« sprachen sich diese Woche 1948 Befragte für eine Neugründung aus. Die AfD dürfte nach der jüngsten Austrittswelle noch etwa 20.000 Mitglieder haben. Wie ein Sprecher des Vereins am Donnerstag mitteilte, beteiligten sich insgesamt 2.600 Weckruf-Mitglieder an der Umfrage.

Update 10.20 Uhr: Petry sieht Lucke-Abgang als »Chance«
AfD-Chefin Frauke Petry hofft nach dem Rückzug von Parteigründer Bernd Lucke auf eine Befriedung der zerstrittenen Alternative für Deutschland. »Wenn durch den Austritt die Streitigkeiten jetzt beigelegt werden können, ist das genau das richtige Signal für uns«, sagte Petry der Deutschen Presse-Agentur in Dresden. »Der Austritt ist nur konsequent.«

Der zum Petry-Lager zählende AfD-Vize Alexander Gauland kritisierte Lucke. Dieser sei »wirklich kein guter Parteiführer«, sagte der Brandenburger Landesvorsitzende. »Er hat nur immer sich im Mittelpunkt gesehen und nicht die Partei, und dieser Fehler wird ihm wahrscheinlich auch wieder passieren, wenn er eine neue Partei gründet.«

Update 9.07., 10.05 Uhr: Weitere AfD-Mitglieder verlassen nach Abgang von Lucke die Partei
Nach dem Rückzug von Parteigründer Bernd Lucke verlassen weitere Mitglieder die Alternative für Deutschland. Eine Gruppe von AdD-Mitgliedern aus dem Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf erklärte am Donnerstag den Bruch mit der Partei. In einer Erklärung hieß es: »Die AfD ist nicht mehr die Partei, für die wir uns begeistert und eingesetzt haben.« Man hoffe auf einen Neuanfang gemeinsam mit Lucke außerhalb der Alternative für Deutschland.

Auch mehrere Unternehmer gaben ihren Rückzug aus der 2013 gegründeten Partei bekannt. Nach Informationen der »WirtschaftsWoche« wollen unter anderem der Gründer der auf Außenwerbung spezialisierten Wall AG, Hans Wall, und der Aufsichtsratschef der Nanofocus AG aus Oberhausen, Hans Hermann Schreier, die Partei verlassen.

AfD-Gründer Lucke tritt aus Rechtspartei aus

Berlin. AfD-Gründer Bernd Lucke hat seinen Austritt aus der rechtspopulistischen Partei angekündigt. Er werde am Freitag die AfD verlassen, gemeinsam mit »sehr vielen Funktionsträgern und einfachen Mitgliedern«, erklärte Lucke am Mittwochabend in Straßburg. Lucke war am Samstag auf dem Essener Parteitag als Parteichef abgewählt worden. Die AfD wird jetzt von Frauke Petry geführt, die den rechten, nationalkonservativen Parteiflügel vertritt.

Die Partei sei »unwiederbringlich in die falschen Hände geraten«, erklärte Lucke. Er sehe keine Möglichkeit mehr, in der AfD für seine politischen Ziele einzustehen, ohne als »Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne«. Dazu zählten »insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten«, die sich in der Partei ausbreiteten.

Er habe zu spät erkannt, »in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen«. Diese würden »von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht«, erklärte Lucke an die Adresse Petrys gerichtet. In Essen sei »in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr letztere inzwischen in der Mehrheit sind«.

Die Austritte aus der Partei vollziehen sich laut Lucke »in vierstelliger Größenordnung«. Viele Mitglieder würden sich für einen Neuanfang organisieren. Ob es tatsächlich zur Gründung einer neuen Partei komme, »steht aber noch dahin«. Seit Dienstag läuft eine Befragung der Mitglieder des von Lucke gegründeten Vereins »Weckruf 2015«. Bislang hätten sich rund 80 Prozent derjenigen, die bereits an der Umfrage teilgenommen haben, für eine Parteineugründung ausgesprochen, sagte ein Sprecher des »Weckrufs« der Nachrichtenagentur AFP.

Zuvor hatte Petry angesichts der drohenden Spaltung der AfD in einer E-Mail an die gut 20.000 Parteimitglieder zum Verbleib in der AfD aufgerufen. Es gebe keinen »Kurswechsel« nach rechts, hieß es in dem Schreiben, das der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vorlag. Am Wochenende waren auf dem Essener Parteitag insbesondere rechte Positionen bejubelt worden. Lucke war bei seinen Reden vom Petry-Lager massiv ausgebuht und beleidigt worden.

Petry warb um eine Einarbeitungszeit für die neue Führung: »Wir bitten daher darum, keine übereilten Entscheidungen zu treffen und dem Bundesvorstand und der Partei eine angemessene Zeit einzuräumen.« Sie verteidigte die Nähe der AfD zur anti-islamischen Pegida-Bewegung. »Wir haben uns mit Pegida nicht verbrüdert, aber festgestellt, dass Pegida Themen auf die Straße gebracht hat, um die wir uns kümmern müssen«, sagte sie am Mittwoch zu »Zeit Online«. Bürgerbewegungen auf der Straße müssten von allen demokratischen Parteien ernst genommen werden.

In dem am Mittwoch veröffentlichten Wahltrend des Magazins »Stern« und des Senders RTL lag die AfD unverändert bei vier Prozent. Agenturen/nd

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