Endlager durchgewinkt

Französische Regierung schafft vollendete Tatsachen

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 2 Min.
Der Bau eines Atommüllendlagers im Nordosten Frankreichs kann vorangetrieben werden. Umweltverbände sind entsetzt.

Ein Gesetz über Liberalisierungsmaßnahmen passierte am Donnerstag das französische Parlament. Premierminister Manuel Valls griff dabei auf eine spezielle Verfassungsklausel zurück, um die auch in den eigenen Reihen der Sozialistischen Partei (PS) kritisierte Vorlage durchzubringen. Der Premier kann je Sitzungsperiode ein Gesetz ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung bringen - nur ein Misstrauensvotum kann dies verhindern.

Das undemokratische Vorgehen wurde noch durch ein Manöver übertroffen, bei dem die rechte Opposition und die PS-geführte Regierung Hand in Hand arbeiteten. In letzter Minute und ohne Chance auf eine Debatte wurde eine vom rechten Senator Gérard Longuet eingebrachte Ergänzung in den Text aufgenommen, die mit dem Inhalt des Gesetzes eigentlich überhaupt nichts zu tun hat. Es geht darum, den Bau eines Atommüllendlagers im nordostfranzösischen Bure gesetzlich festzuschreiben. Die Regierung legte kein Veto ein, damit wurde der Zusatz durchgewinkt. So wurden mit einem Federstrich die Atomkraftgegner, die seit vielen Jahren gegen Bure kämpfen, sowie namhafte Geologen und andere Persönlichkeiten, die das Projekt für unsicher halten, mundtot gemacht und vor vollendete Tatsachen gestellt.

Die Grünen brandmarkten das Vorgehen als einen »unerträglichen Gewaltakt«. Damit sei »der letzte Rest des einstigen Vertrauensverhältnisses zwischen dieser Regierung und den Grünen zerstört«, hieß es. Auch die Umweltverbände, allen voran Greenpeace und das Anti-AKW-Bündnis Sortir du nucléaire, protestierten gegen den Handstreich der Atomlobby. Der Beschluss beschwöre »schwerwiegende Folgen für die Volksgesundheit und die Umwelt« herauf, heißt es in einer von mehreren Organisationen gemeinsam verbreiteten Erklärung.

Durch den Gesetzestext ist zwar noch nicht die Genehmigung zur Einlagerung von Atommüll erteilt, doch kann jetzt das Projekt Cigéo starten, das eine Lösung für die Unterbringung radioaktiver Abfälle aus Kernkraftanlagen finden soll. In diesem Rahmen ist geplant, nahe der nordostfranzösischen Gemeinde Bure einen Schacht zu graben, um in 500 Metern Tiefe Platz für das Einlagern von 80 000 Kubikmetern hoch radioaktivem Atommüll zu schaffen.

Das ist zwar ein verschwindend geringer Teil des in Frankreich angefallenen radioaktiven Abfalls, der auf 1,46 Millionen Kubikmeter beziffert wird, doch es handelt sich um die am stärksten und längsten strahlenden Teile. Um die Frage, ob in Bure die geologischen Gegebenheiten eine solche Einlagerung erlauben, gibt es seit Jahren einen erbitterten Kampf zwischen den von beiden Seiten aufgebotenen Experten. Unter dem Druck der Proteste hatte die Regierung bisher betont, das Einlagern in Bure solle so erfolgen, dass es bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen »umkehrbar« wäre. Davon ist in dem jetzt verabschiedeten Gesetz keine Rede mehr.

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