Kunstmarkt in Aufruhr

Debatte um Grütters Kulturgutschutzgesetz

  • Manuela Lintl
  • Lesedauer: 3 Min.
Neues Ermächtigungsgesetz? Seit Tagen befindet sich der Kunstmarkt wegen des von Kulturstaatsministerin Monika Grütters geplante neue Kulturgutschutzgesetz zum Vorgehen gegen Kunstraub in Aufruhr. Zu Unrecht.

Als Kulturstaatsministerin Monika Grütters am Mittwoch dieser Woche vor die Presse trat, zeigte sie sich »enttäuscht« und »stocksauer« ob der Kampagne, die Kunsthändler und einige namhafte Künstler im Verbund mit den Medien seit Wochen gegen das von ihr geplante Kulturgutschutzgesetz fahren. Dabei sei der Kunsthandel in die Anhörungen zu dem Gesetzesvorhaben kontinuierlich eingebunden gewesen, ja sogar aufgefordert worden, Formulierungsvorschläge zu machen, betonte die CDU-Politikerin.

Aufgabe des Kulturgutschutzes ist es, Kulturgüter zu sichern, zu erhalten und für kommende Generationen zu bewahren. Soweit handelt es sich um eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern. Dabei geht es nicht nur um Kulturgut, das für die Bundesrepublik von nationaler Bedeutung ist, sondern auch um das kulturelle Erbe der Menschheit.

Während die Erhaltung von Kulturgut in erster Linie Sache der Länder ist, ist der Bund in zwei Bereichen für die Gesetzgebung zuständig: Einerseits für den Schutz von national wertvollem Kulturgut vor Abwanderung ins Ausland (Kulturgutschutzgesetz). Andererseits für den Schutz von Kulturgut ausländischer Staaten, das unrechtmäßig nach Deutschland eingeführt wurde und zurückzugeben ist (Kulturgüterrückgabegesetz).

Die Phalanx von Kunsthändlern und einiger Künstler warf Grütters in den vergangenen Tagen nichts weniger vor, als mit den geplanten Gesetzesänderungen das Grundgesetz brechen zu wollen, nationalistisch zu denken und eine Politik der Enteignung zu betreiben. Hier wurden gar Hinweise auf die Ermächtigungsgesetze der Nazis und die Enteignungen im Sozialismus herangezogen.

Dabei hat Kulturstaatsministerin Grütters den Gesetzesentwurf bisher nur zur internen Ressortabstimmung vorgelegt. Abhängig vom Verlauf des parlamentarischen Verfahrens soll das Gesetz in der ersten Jahreshälfte 2016 in Kraft treten. Stein des Anstoßes sind etwa zehn von insgesamt 87 Gesetzesparagraphen, die sich mit dem innereuropäischen Export von Kunstwerken, Archivalien, Büchern und anderen Kulturgütern befassen. Die Kritik ist also vorschnell laut geworden und bezieht sich zum Teil auf unautorisierte Zwischenfassungen.

Nichtsdestotrotz haben die rasch medial verbreiteten Proteste gefruchtet - zumal wenn Koryphäen wie Baselitz oder Richter glaubhaft damit drohen, ihre Leihwerke aus deutschen Museumssammlungen abzuziehen. Monika Grütters hat ihren Entwurf für ein Kulturgutschutzgesetz also entschärft und geht auf Forderungen ein, zum Beispiel »nachvollziehbarere, detailliertere Kriterien zu schaffen, die festlegen, was überhaupt Nationales Kulturgut ist und was nicht.« Werke in privatem Besitz, die älter als 70 Jahre und mehr als 300 000 Euro wert sind, sollen erst nach einer Genehmigung durch Expertengremien ins europäische Ausland gebracht werden dürfen. Das entspricht der Regelung in fast allen EU-Ländern bis auf die Niederlande.

Betrachten die durch die Länder berufenen Kommissionen Werke in Privatbesitz als national belangreich, so dürfen diese nur noch in Deutschland gehandelt werden. Das ist bereits heute so. Die Besitzer von Leihgaben an staatliche Museen können einer Eintragung als Kulturerbe schriftlich widersprechen, sogar per E-Mail. Hier erfolgt also keinerlei Zwangsenteignung. Die Gegenwartskunst ist demnach nur marginal von der Gesetzesänderung betroffen und die tatsächlich betroffenen Werke der Klassischen Moderne oder alter Kunst werden in Deutschland nur selten gehandelt.

Worauf die Neuregulierung aber tatsächlich abzielt sind Güter, die der 2006 ratifizierten UNESCO-Konvention gegen Kulturgutraub unterliegen. Der hier herrschende Status quo bei der Einfuhr ist nicht anders als skandalös zu bezeichnen, handelt es sich doch bei vielen Kulturgütern um Raubgrabungen oder Diebesgut.

Somit ist es legitim, wenn Galeristen und Auktionshäuser künftig eine Genehmigung des Ursprungsstaates vorweisen müssen und nicht mehr nur auf Listen dubioser Herkunft verweisen können, zumal bei Herkunftsländern in denen Krieg oder Bürgerkrieg herrscht. Noch, so scheint es, ist das letzte Wort in Sachen Kulturgutschutzrecht nicht gesprochen und die Gesetzesvorlage weiter im Zustand der Bearbeitung.

Den kompletten aktuellen Gesetzestext kann man hier nachlesen: www.gesetze-im-internet.de/kultgschg

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