Rückhalt für Merkel schwindet

Abstimmung über Griechenlandpolitik

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bundestag hat mit großer Mehrheit für Verhandlungen mit Athen über ein drittes Kreditprogramm votiert. Doch in der Union wächst die Unzufriedenheit über die schwarz-rote Politik.

Für einen kurzen Moment unterbricht Angela Merkel ihre Rede im Bundestag zum neuen Kreditprogramm für Griechenland. Die Kanzlerin hat soeben ihrem Finanzminister und CDU-Kollegen Wolfgang Schäuble für dessen Verhandlungen mit der griechischen Regierung und den europäischen Partnern gedankt. Daraufhin bricht in den Reihen der Koalition tosender Applaus aus. Schäuble lauscht dem Klatschen, ohne eine Miene zu verziehen. Die Augen hält er geschlossen. Für Euphorie gibt es aus seiner Sicht keinen Anlass. Denn Schäuble will einen zeitweiligen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro. Damit hat er sich bislang nicht durchgesetzt.

Stattdessen soll ein drittes Kreditprogramm auf den Weg gebracht werden. Im Gegenzug muss die griechische Regierung unter anderem Renten kürzen und die Mehrwertsteuer erhöhen. In der Union teilen viele Abgeordnete die Einschätzung von Schäuble. Dass sich die Verelendung der Bevölkerung bei einem Ausstieg des Landes aus dem Euro wohl noch beschleunigen würde, interessiert sie nicht. Vor der Abstimmung gießt Schäuble weiteres Öl ins Feuer. »Die Griechen haben Vereinbarungen bisher nicht eingehalten«, sagt er. Nun werde es harte Verhandlungen geben. Sonderlich optimistisch klingt das nicht. 60 Abgeordnete der Union stimmen dagegen, dass die Gespräche mit der griechischen Regierung aufgenommen werden, fünf enthalten sich. Noch nie war die Ablehnung der Griechenlandpolitik bei den Konservativen so groß.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte ebenfalls mit dem Gedanken gespielt, dass die Griechen zu ihrer eigenen Währung zurückkehren. In seiner Partei ist der Wirtschaftsminister damit jedoch auf Widerstand gestoßen. Wohl auch um seine Genossen, die mit großer Mehrheit für das Kreditprogramm und die neoliberalen Reformen sind, zufriedenzustellen, wendet sich Gabriel in der Plenardebatte gegen Schäubles Pläne. »Das Gerede über einen Grexit muss aufhören«, fordert er. Zudem findet Gabriel warme Worte für die Griechen, deren Regierung er vor Kurzem noch wegen der Volksabstimmung über das Spardiktat der Gläubiger kritisiert hatte. »Griechenland kämpft um seine Selbstbehauptung, es kämpft darum, in Europa geachtet zu werden und darum, aus dem Status eines Almosenempfängers herauszukommen und sein Schicksal zu bestimmen als vollwertiges Mitglied des Euroraums«, säuselt Gabriel. Dafür sollten alle Respekt empfinden.

Die Rede des sprunghaften Sozialdemokraten sorgt in der Linksfraktion für Empörung. Immer wieder sind Zwischenrufe zu hören. Fraktionschef Gregor Gysi wirft Gabriel und Merkel vor, sich dem Kurs von Schäuble unterzuordnen. Letzterer sei dabei, die europäische Idee zu zerstören. Bei der Abstimmung enthalten sich zwei LINKE. Der Rest votiert mit Nein. Dies fällt vielen offenbar nicht leicht. Denn in Athen regiert die linke Schwesterpartei SYRIZA, deren Premier Alexis Tsipras sich nach langem Widerstand bereit erklärt hat, die Reformen umzusetzen. Gysi räumt ein, dass er im griechischen Parlament mit Ja gestimmt hätte. »Wir sind aber hier im Land der Erpresser und nicht bei den Erpressten«, fügt er hinzu.

Kritik an ihrer Krisenpolitik will die Bundesregierung nicht hören. Als Gysis Stellvertreterin Sahra Wagenknecht die »rabiate Kürzungspolitik« anprangert, welche die Lage in Griechenland verschärfe, wenden sich Merkel und Gabriel ab und suchen das Gespräch mit ihren Parlamentskollegen. Die von Gysi und Wagenknecht erhobene Forderung nach einem Schuldenschnitt haben sie ohnehin seit Monaten ignoriert.

Größere Aufmerksamkeit erhält Katrin Göring-Eckardt. Die Grünen-Fraktionschefin bezeichnet das »Hilfspaket« als »bitter nötig«. Es habe zwar viele Härten, aber auch Optionen, die helfen könnten. Göring-Eckardt votiert für den Regierungskurs. Bei den Grünen folgt ihr nur eine Minderheit. Viele sind skeptisch, ob Griechenland wirklich geholfen wird. Etwas mehr als die Hälfte der Fraktion enthält sich, zwei Abgeordnete stimmen mit Nein.

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