Frankreichs Grüne vor der Spaltung

Streit über den Umgang mit den regierenden Sozialisten führt zu Parteiaustritten

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Grüne und Sozialisten haben ihre traditionellen Sommeruniversitäten abgehalten. Der Zwist bei den Grünen läuft den Bündnisbestrebungen von Frankreichs Präsident François Hollande entgegen.

Eine Kette von Rücktritten ist im Gang: Kurz nach Ende der Sommeruniversität der Partei der Grünen in Lille trat am Donnerstag der stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Nationalversammlung, François de Rugy, demonstrativ aus der Partei aus. Am Freitag folgte ihm der Fraktionsvorsitzende im Senat, Jean-Vincent Placé. Vor Wochen waren schon die Grünen-Abgeordneten Christophe Cavard und François-Michel Lambert diesen Schritt gegangen.

Die Sommeruniversität hat ganz offensichtlich zu einer Klärung der innerparteilichen Fronten geführt, dadurch aber vielleicht auch die Spaltung der Umweltpartei eingeleitet. »Meiner Meinung nach ist die Partei am Ende«, erklärte François de Rugy. Er wirft der Parteiführung »Linksextremismus« vor, weil sie einen Konfrontationskurs zu der von den Sozialisten geführten Regierung verfolge und den Schulterschluss mit der Linksfront aus Kommunisten und Partei der Linken suche. »Die Parteiführung verschanzt sich hinter Zweideutigkeiten und lässt keinen Meinungsaustausch über grundlegende Fragen und Strategien zu«, beklagt de Rugy.

De Rugy und Jean-Vincent Placé waren vor Monaten schon die schärfsten Kritiker des Austritts der Grünen-Minister aus der Regierung und forderten nicht nur eine Rückkehr ins Kabinett, sondern auch ein bedingungsloses Zusammengehen mit den Sozialisten bei Wahlen - und dies nicht nur gegen die bürgerliche Rechte und die rechtsradikale Front National, sondern auch und vor allem gegen die Linksfront und andere Kräfte links von den Sozialisten.

In der Parteiführung hatten sich indes diejenigen durchgesetzt, die die Sozialisten und Präsident Hollande wegen deren Wirtschafts- und Sozialpolitik und nicht eingehaltener Versprechungen kritisieren. Als Konsequenz daraus werden beispielsweise für die bevorstehenden Regionalwahlen eigene Kandidatenlisten aufgestellt und nirgends gemeinsame mit den Sozialisten. Dagegen gibt es in vier großen Regionen - auf Druck der Basis und mit Billigung der Parteiführung - schon sehr weit gediehene Gespräche über gemeinsame Listen mit der Linksunion.

Diese gemeinsamen Listen stoßen nicht nur bei den Grünen auf Skepsis oder Ablehnung. Auch der Vizepräsident der Linksunion Jean-Luc Mélenchon spart nicht mit Kritik. Weil in den betreffenden Regionen die Grünen die Spitzenplätze auf den Liste für sich beanspruchen, hat er sie im Verdacht, die Linksunion nur dazu benutzen zu wollen, sich selbst neue Wählergruppen zuzuführen.

Auf der Sommeruniversität der Grünen haben vor allem François de Rugy und Jean-Vincent Placé, denen man Ambitionen nachsagt, Minister werden zu wollen, ein Zusammengehen mit der Linksfront als »unverantwortlich« und »unnatürlich« gebrandmarkt. Sie sind davon überzeugt, dass sich die Grünen unbedingt an die Seite der Sozialisten stellen und gemeinsam mit ihnen kandidieren müssen, denn nur so könne man den drohenden Siegeszug der Front National abwenden. Gleiches gilt auch für die Präsidentschaftswahlen 2017, die schon ihre Schatten vorauswerfen. Dort mit einem eigenen Kandidaten aufzutreten, der es dann wieder nur auf zwei Prozent wie vor Jahren Eva July bringt, wäre ihrer Ansicht nach politisch verheerend.

Den Sozialisten und der von ihnen geführten Regierung kann der Zwist bei den Grünen nicht gleichgültig sein. Präsident Hollande arbeitet schon seit Langem daran, die Grünen durch die Rückkehr in die Regierung wieder stark an sich zu binden. Entsprechend stand dieses Thema auch auf der Tagesordnung der Sommeruniversität der Sozialisten am Wochenende in La Rochelle, zumal davon nicht unwesentlich der Wahlausgang im Herbst - und dann 2017 - abhängt. Doch vor allem ging es um die Wirtschafts- und Sozialpolitik der gegenwärtigen Regierung und den Kurs für ihre restliche Amtszeit und die von Präsident Hollande. Dominierend ist nach wie vor die Gruppierung, die sich selbst »reformistisch« nennt und die durch den »neoliberalen« Wirtschaftsminister Emmanuel Macron repräsentiert wird. Der hatte noch zuvor auf dem Sommertreffen des Unternehmerverbandes Medef versichert, dass der Reformkurs der Regierung fortgesetzt wird. Die Wirtschaft, so ließ er durchblicken, könne mit weiteren Steuergeschenken und anderen Zugeständnissen rechnen, beispielsweise bei der 35-Stunden-Arbeitswoche und dem Arbeitsrecht.

Dagegen begehrt immer nachdrücklicher der linke Flügel der Partei unter Führung der »Aufrührer« unter den Parlamentsabgeordneten auf, die eine Rückbesinnung auf die traditionellen Werte der Linken und eine dementsprechende Politik einfordern.

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