Fleisch verpflichtet

Firmen versprechen etwas bessere Bedingungen

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Die großen Konzerne der Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche haben eine freiwillige Selbstverpflichtung für bessere Arbeitsbedingungen unterschrieben. Kritikern geht das nicht weit genug.

Berlin. Nach Skandalen um osteuropäische Billigkräfte auf deutschen Schlachthöfen will die Fleischindustrie stärker gegen Sozialdumping vorgehen. Am Montag unterzeichneten die führenden Fleischkonzerne Tönnies, Vion, Heidemark, Danish Crown, Lohmann und Westfleisch eine Selbstverpflichtung. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nannte die Vereinbarung einen »Riesenfortschritt«, die Zusagen würden laufend überprüft. Die Verpflichtung sei aber kein Ersatz für das Ziel der Koalition, Werkverträge zu regulieren.

Die Unternehmen sagen unter anderem zu, den Anteil der Stammbelegschaft zu erhöhen. Den seit Sommer 2014 bestehenden Branchenmindestlohn nennen sie einen entscheidenden Bestandteil. Zugleich wollen die Konzerne bis Juli 2016 Strukturen schaffen, »dass sich sämtliche in ihren Betrieben eingesetzte Beschäftigte in einem in Deutschland gemeldeten, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden«. Dies bedeute eine bessere Absicherung vor Risiken wie Krankheit oder Arbeitslosigkeit sowie die Möglichkeit, Rentenansprüche aufzubauen.

Arbeitnehmervertretern und der Opposition geht die Verpflichtung dagegen nicht weit genug: Der Vizechef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Claus-Harald Güster, sprach von einem »Schritt in die richtige Richtung«. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte zusätzlich ein Gesetz für faire Werkverträge. Es sei höchste Zeit, echte Verträge klar abzugrenzen gegen falsche. Diese spalteten etwa Arbeitsprozesse in willkürlich zugeschnittene Kleinstgewerke auf, »die sich im Gestrüpp von Subunternehmerketten verlieren«.

»Die Selbstverpflichtung der Fleischindustrie ist zweifellos eine gute Entwicklung«, lobte Buntenbach. »So freiwillig, wie es scheint, ist sie aber nicht.« Dahinter stehe der Branchenmindestlohn, der ab Oktober bei 8,60 Euro liegen werde. Dieser gelte auch für Beschäftigte aus Polen, Rumänien und Bulgarien, »die bis dahin als entsandte Beschäftigte zum Mindestlohn ihres Landes legal ausgebeutet werden konnten«. Da sich das Geschäft mit der Entsendung nicht mehr so lohne wie früher, hätten viele Subunternehmer Dienstleistungsfirmen in Deutschland gegründet, mit denen Werkverträge abgewickelt würden. Die Selbstverpflichtung sei also nur das Nachvollziehen einer Entwicklung, die durch den Branchenmindestlohn in Gang gebracht worden sei, so die Gewerkschafterin.

»Was Gabriel als großen Erfolg feiert, ist nichts weiter als eine Luftnummer, denn die freiwillige Selbstverpflichtung der Arbeitgeber ist für die Arbeitnehmer nicht einklagbar«, kommentierte Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Immerhin gestehe sich die Branche damit ein, dass schon lange etwas schieflaufe. Dabei sei es nur dem langen Atem der NGG und den Betriebsräten zu verdanken, dass flächendeckender Missbrauch von Werkverträgen und unwürdige Arbeitsbedingungen nicht mehr unter den Teppich gekehrt werden konnten. Die Koalition müsse dem Missbrauch von Werkverträgen einen gesetzlichen Riegel vorschieben. Agenturen/nd

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