Die Armee ohne Waffen

Der FC Barcelona kämpft für Kataloniens Unabhängigkeit und geht damit ein Risiko ein

  • Holger Schmidt und Nikolas Schmitz, Barcelona
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Sieg bei der Regionalwahl wollen die Separatisten die Eigenständigkeit Kataloniens vorantreiben. Für den FC Barcelona eine Gefahr. Doch der Klub steht hinter den Wahlgewinnern.

Rauswurf aus der Liga, mangelnde Attraktivität für Superstars und das Verschwinden des Clásico als meistbeachtetes Fußballspiel der Welt: Die wahrscheinlicher gewordene Unabhängigkeit Kataloniens könnte für den FC Barcelona schwerwiegende Folgen haben. Doch ein Opfer der Politik wäre der als Champions-League-Sieger derzeit beste Klub Europas angeblich nicht - ganz im Gegenteil.

Der Schriftsteller Manuel Vázquez Montalbán bezeichnete den Verein, der zwei Tage nach dem Wahlsieg der Separatisten am Dienstag in der Champions League auf Bayer Leverkusen trifft, als »die symbolische Truppe Kataloniens ohne Waffen«. Für Ex-Präsident Joan Laporta ist er das beste Medium, »um die katalanische Identität in die Welt zu tragen«. Doch für diese Identität geht Barca sportlich ein hohes Risiko. Die Liga hat für den Fall der Unabhängigkeit den Rauswurf des amtierenden Meisters angekündigt, und dies könnte eine Kettenreaktion auslösen. Eine rein katalanische Liga wäre sportlich wenig reizvoll - vor allem für die absoluten Topstars, für die Barca momentan eine der besten Adressen ist.

Der Klub vertraut darauf, dass die Liga sich nicht selbst des neben Real Madrid wichtigsten Aushängeschilds berauben will. Doch für den Fall der Fälle soll der Klub bereits den »Umzug« in die französische Ligue 1 erwägen. Ein Zaudern gibt es aber auch jetzt nicht, wo die Abspaltung konkrete Formen annimmt. »Ich denke, es ist das geringste Problem für die Leute, ob der FC Barcelona in der spanischen Liga spielt oder nicht«, betonte Bayern Münchens Trainer Pep Guardiola, selbst 22 Jahre lang Spieler und Trainer bei Barca, am Montag: »Die Leute gehen wählen für ein besseres Leben, bessere Wirtschaft, das ist das Wichtigste. Es wäre nicht gut für Barcelona, aber auch nicht für die spanische Liga, aber wir müssen jetzt erst mal sehen, was der nächste Schritt ist.«

In der Stadt war am Tag nach dem Wahlsieg der separatistischen Allianz Junts pel Sí (Gemeinsam fürs Ja) große Euphorie zu spüren. Aus unzähligen Fenstern hing die katalanische Flagge, oft neben der des FC Barcelona.

Wer für diesen Verein spielt, bekommt das Gefühl eingeimpft, für einen katalanischen Klub zu spielen, nicht für einen spanischen. Auch Guardiola ist ein klarer Befürworter der Abspaltung. »Früher oder später« werde sie kommen, sagte er. Das sei besser für Katalonien und auch für Spanien: »Es gibt keinen Weg zurück.« Der 44-Jährige hat sich sogar symbolisch auf die Kandidatenliste der CDC-Partei setzen lassen. Sogar der viermalige Weltfußballer Lionel Messi identifiziert sich so sehr mit Katalonien, dass sie ihm in seinem Heimatland oft vorhalten, eher Katalane als Argentinier zu sein. Der durchaus begabte Rechtsverteidiger Oleguer Presas (35) verzichtete sogar auf eine Karriere in der spanischen Nationalmannschaft und spielte lieber in der von Welt- und Europaverband FIFA und UEFA nicht anerkannten katalanischen Auswahl. Er trat bei Kundgebungen auf, verfasste sozialistische Schriften und wurde bei einer Kundgebung festgenommen und angeklagt.

So konsequent sind nicht alle rund um den Verein, doch fast alle verfolgen dieselben Ideale. Im Stadion finden Kundgebungen der Unabhängigkeitsbewegung statt, auf einem dauerhaft angebrachten Banner steht »Katalonien ist nicht Spanien«. Nach 17 Minuten und 14 Sekunden - in Erinnerung an das Jahr, in dem Katalonien die Unabhängigkeit verlor - fordern die Fans diese lautstark zurück. Obwohl die Konsequenzen für ihren Klub unabsehbar wären. SID/nd

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