Petry geil!

Roberto Roberto J. De Lapuente über Konservative und ihr Faible für ein intaktes Familienleben - bis das Leben dazwischenkommt

  • Roberto J. De Lapuente
  • Lesedauer: 4 Min.
Liebesbeziehungen zerbrechen. Partnerschaften gehen auseinander. Ehen haben Halbwertszeit. Wir wissen das im Grunde alle. Der Stockkonservatismus verdrängt es gerne und predigt Idyllen von Vater, Mutter, Kind. Und dann können sie es einem nicht mal vorleben. Wenn das der Führer wüsste!

Irgendwie haben die Konservativen mehr oder weniger immer schon ein Faible für ein intaktes Familienleben gehabt. Sie leben es scheinbar nicht nur, sondern gehen damit hausieren und machen es zu einer Sache mit Vorbildcharakter. All die linken Spinner und Alternativen hätten nicht begriffen, wie die Keimzelle der Gesellschaft aufgestellt sein müsse, damit man nicht nur ein glückliches Leben führt, sondern gleichzeitig auch noch ein anständiges Gemeinwesen realisiert. Beides bedingt einander. Mit der glücklichen Familie steht und fällt alles. Daher charakterisiert man sich auf konservativer Seite zum Familientier und gibt gleich noch als programmatischen Imperativ mit auf dem Weg, dass es jeder so handhaben soll: Vater, Mutter, Kind. Für gleichgeschlechtliche Paare endet hier schon die Existenzberechtigung. Alles, was anders lebt, kann nicht gut für unsere Gesellschaft sein. Und es gibt tatsächlich genug Menschen, die sich von dieser Logik bestechen lassen. Meine Großmutter zum Beispiel lehnte Gerhard Schröder nur ab, weil er mehrfach verheiratet war. Für sie war eine stabile Beziehung und Familie vor allem eine Art politisches Gütesiegel.

Aber leider ist es nicht immer idyllisch im Leben. Dann verliebt man sich in den Landesvorstand von Nordrhein-Westfalen und bricht aus der Urzelle der Gesellschaft aus, die man als Punkt im Parteiprogramm propagierte. Das ist natürlich lästig, dass einem das Leben immer dazwischen kommt. Und es zeigt, dass der Konservatismus ein gravierendes Problem zwischen seinen Idealen und der Realität hat. Man kann ja Ideale haben, aber muss man sie als Maßstab für alle Welt heranziehen? Kann man sie nicht lockerer handhaben, und als gute Ratschläge für eine Alternative für Deutschland einfach unterlassen? Denn es gehört zur conditio humana, dass eben auch die Petry geil ist auf einen neuen Mann und nicht mehr auf Familientrott. Das ist nicht angenehm, aber so lebt es sich eben. Warum soll alles bei Petry heil sein, wo es doch beim Rest der Welt nicht ist? Bei denen, die am lautesten nach Familienidyll rufen, ist es meistens ohnehin noch viel mieser.

Man wird mich fragen, was das alles soll. Was geht dich eigentlich das Privatleben dieser Frau an?, wird man mir vorwerfen. Es geht mich im Grunde nichts an. Das stimmt schon. Oder sagen wir so: Hätten sie und ihre Jünger nicht dauernd so getan, als müsse Deutschland von der Familie auf erneuert werden, als haben alle anderen Lebensmodelle keinen Anspruch auf Glück, so wäre Petrys gescheiterte Ehe nicht der Rede wert. Es ist ja Normalität. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Und glaubt mir, man lernt wenig dazu. Man scheitert zuweilen von einem Scheitern ins nächste. Aber es geht nicht um mich, denn ich habe auch niemanden erklärt, wie er sein privates Glück zu machen hat. Das hat aber Petry. Und so wird ihre gescheiterte Ehe auch zum gescheiterten Vorleben einer Idealisierung, die es in erster Linie nur in den Köpfen von Menschen gibt, die sich das Leben hienieden als einen Akt von Frömmlerei und spießiger Moral vorstellen und darauf ihre Gesellschaftskonzepte aufbauen. Und in diesem Sinne muss sie sich gefallen lassen, dass man in ihrem Privatleben gräbt. Denn ihre »Alternativpartei« hat es auch getan bei dem Leben vieler Millionen Bürger in diesem Land.

So war es mehr oder weniger immer bei den Rechten. Man postulierte dieses Ideal und ging privat daran zugrunde. Als der Kerl aus dem Propagandaministerium mit einer Schauspielerin durchbrennen, Frau und Kinderschar verlassen wollte, sorgten sich einige um den Imageverlust. Wenn das der Führer wüsste! Und dann wusste er es und gab Befehl, die Liebschaft zu beenden. Familie gehe vor. Sie sei ein Politikum. Nun sind wir zum Glück führerlos. Wie die AfD auch. Petry sollte froh darüber sein, sonst würde der Lucke noch befehlen, sie habe ihre Affäre sofort aufzugeben und gefälligst die Ideale zu leben, die sie alle gemeinsam als Partei vertreten. Der Seehofer hat es doch auch gepackt. Und wirkt er jetzt etwa unglücklich oder gar verbittert?

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal
Mehr aus: Der Heppenheimer Hiob