Seelische Krankheiten besser diagnostiziert

Zahl der Krankschreibungen stieg 2014 auf Allzeithoch

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Noch nie wurden so viele Arbeitnehmer wegen psychischer Leiden krankgeschrieben. Die Diagnosen sind besser als früher: Seelenleiden werden nicht mehr hinter Rückenschmerzen versteckt.

Berlin. Krankschreibungen wegen psychischer Leiden haben im vergangenen Jahr ein neues Rekordniveau erreicht. Dem DAK-Psychoreport zufolge lagen Seelenleiden 2014 erstmals auf dem zweiten Platz der Krankheitsarten. 1,9 Millionen Berufstätige waren mit psychischen Problemen krankgeschrieben, heißt es in der Auswertung von Versichertendaten, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde - umgerechnet jeder 20. Arbeitnehmer. Krankschreibungen wegen anderer Erkrankungen gingen zurück. An der Spitze liegen weiter Rückenprobleme und andere Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems.

Psychische Erkrankungen verursachten dem Report zufolge allein bei den DAK-Versicherten 6,3 Millionen Fehltage. Mit 112 Fehltagen je 100 Versicherten waren an erster Stelle Depressionen für den Arbeitsausfall verantwortlich. An zweiter Stelle folgten sogenannte Anpassungsstörungen mit 42 Fehltagen je 100 Versicherten. Sie lösten offenbar die Modediagnose »Burn-out« ab, die dem Bericht zufolge stark zurückgeht. Anpassungsstörungen sind psychische Reaktionen auf Dauerstress, die zu seelischen oder körperlichen Erkrankungen führen. Hier verzeichnet der Report die stärksten Steigerungen.

In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Fehltage aufgrund psychischer Leiden verdreifacht. Gleichzeitig gehen Krankschreibungen wegen Rücken- oder Magenproblemen zurück. Insgesamt, so der Report, leiden nicht mehr Menschen unter Depressionen, die Symptome werden aber heute diagnostiziert und als Ursache für den Arbeitsausfall nicht mehr versteckt.

Regional ist die Verteilung unterschiedlich: In allen ostdeutschen Ländern außer Berlin liegt der Anteil psychischer Leiden an den Krankschreibungen bei 15 Prozent oder darunter, im Westen deutlich höher. Hamburg hat dem 22,3 Prozent den höchsten Anteil der Krankschreibungen wegen psychischer Beschwerden. Den höchsten Krankenstand verzeichnet weiter das Saarland, noch vor Berlin und Hamburg. Eine offensichtliche Erklärung dafür gebe es nicht, erklärte das Berliner IGES-Institut für Gesundheitsforschung, das den Report im Auftrag der DAK erstellte.

Mit der Diagnose ist das Leiden der Patienten aber längst nicht zu Ende. Laut DAK-Chef Herbert Rebscher gibt es massive Probleme bei der Behandlung. Die Betroffenen warteten im Durchschnitt sechs Monate auf einen Therapieplatz. Die DAK biete demnächst ein webbasiertes Selbsthilfeprogramm an, das nach einer Studie der Bielefelder Universität bei leichten und mittelschweren Depressionen zu messbaren Besserungen führt. Hausärzte, Psychiater und Psychologen sollen es ihren Patienten im Rahmen der Therapie anbieten können.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde kritisierte, wie schnell jemand Hilfe erhalte, hänge häufig vom Wohnort ab. Menschen in den Städten und im Westen seien gegenüber dem Osten und ländlichen Regionen im Vorteil.

Der DAK-Report basiert auf den Daten von 2,6 Millionen erwerbstätigen Versicherten. Die Krankenkasse hat nach eigenen Angaben bundesweit 6,1 Millionen Versicherte. epd/nd

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