Im sechsten Anlauf soll es klappen

Die ukrainische Fußball-Nationalmannschaft will gegen Slowenien ihren Playoff-Fluch besiegen und zur EM fahren

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.
Fünfmal in Folge scheiterte die Ukraine schon in den Playoffs. Nun will das Fußballnationalteam alles anders machen. Das Duell gegen Slowenien hat für das Land mitten im Krieg eine große Bedeutung.

Vor zwei Jahren war die Hoffnung groß. Die Hoffnung, dass die Nationalmannschaft der Ukraine endlich einen Fluch besiegen kann, der sie seit einer gefühlten Ewigkeit verfolgt. Eine magische Nacht im Kiewer Olimpijskij-Stadion - und die Qualifikation zur Fußball-WM 2014 in Brasilien war greifbar nah. Ein überragender 2:0-Sieg gegen Frankreich, fantastische Stimmung im Stadion und ein Land, das an diesem 15. November 2013 zum letzten Mal vereint war. Vier Tage später war der Traum schon wieder vorbei: In Saint-Denis verlor die Ukraine das Rückspiel mit 0:3 und schied trotz guter Vorstellung aus. Am 21. November begann dann die Maidan-Revolution - und das Land veränderte sich für immer.

Die Spiele gegen Frankreich waren schon der fünfte Versuch der ukrainischen Fußballer, sich über den Weg der Playoffs für eine Endrunde von Welt- oder Europameisterschaft zu qualifizieren. Davor scheiterten die Ukrainer schon an Kroatien, Slowenien, Griechenland und auch an Deutschland. Nur einmal qualifizierten sie sich aus eigenen Kräften - damals jedoch ohne den lästigen Umweg - als Gruppensieger für die WM 2006. Vor der Heim-EM 2012 blieb den Gastgebern die Qualifikationsmühle gänzlich erspart. An diesem Sonnabend beginnt nun im westukrainischen Lviv der sechste Playoff-Anlauf. Der Gegner heißt wie vor 16 Jahren wieder Slowenien, das in seiner Gruppe E den dritten Platz hinter England und der Schweiz belegt hatte. Eine Panne des ukrainischen Torwarts Olexandr Schowkowskij half den Slowenen einst, die EM 2000 doch noch zu erreichen.

Mychajlo Fomenko, Trainer der Ukraine, will aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Als die Ukraine im November 2013 gegen Frankreich verlor, saß der 67-Jährige schon im Trainerstuhl. »Diese Niederlage schmerzt immer noch, die sitzt richtig tief in mir. Doch ich weiß, was ich damals falsch gemacht habe. Vor dem Spiel gegen Slowenien will ich nicht mit Spannung übertreiben, aber jetzt wollen wir endlich die Playoffs überstehen«, sagt Fomenko vor dem Duell, das auch über seine eigene Zukunft entscheiden kann. Der erfahrene Trainer, der auch Dynamo Kiew, das Flaggschiff des ukrainischen Fußballs, trainierte, steht in der Kritik. Seine Trainingsmethoden sowie sein Umgang mit den Medien seien komplett veraltet, werfen ihm Journalisten vor.

Auch die Leistungen der ukrainischen Mannschaft sind nicht mehr so überzeugend wie noch vor zwei Jahren. Schon früh war klar, dass das Team die direkte Qualifikation in seiner Gruppe nicht schaffen würde. Allerdings verbesserte sich die Ukraine zuletzt und lieferte sogar gegen Spanien trotz einer 0:1-Niederlage eine gute Vorstellung ab. Ein wichtiger Grund dafür ist vor allem die fantastische Form des Spielmachers Jewhen Konopljanka. Der 26-Jährige wechselte in diesem Sommer vom FC Dnipro Dnipropetrowsk zum FC Sevilla - und war am vergangenen Wochenende beim 3:2-Sieg gegen Real Madrid der beste Spieler auf dem Platz.

Auf Konopljanka werden nun Fomenko und alle ukrainischen Fans hoffen. Für sie hat die Partie gegen Slowenien auch eine politische Bedeutung. Zwei Jahre nach dem Beginn der Maidan-Revolution ist die Ukraine immer noch ein gespaltenes Land. Neben der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass, der in diesen Tagen wieder Schlagzeilen macht, kämpfen die Menschen auch mit einer tiefen Wirtschaftskrise. Die EM-Teilnahme würde unter diesen Umständen sicherlich eine Symbolrolle spielen.

Lviv, 1200 Kilometer vom umkämpften Donezk entfernt, ist dazu ein traditioneller Glücksort für die Nationalmannschaft. In der brandneuen Arena Lviv, die speziell zur EM 2012 gebaut wurde, ist die Ukraine noch ungeschlagen. Außerdem ist die Stimmung bei den Länderspielen in Lviv fast immer einzigartig. Allerdings konnten die Fans nur einige Tausend Tickets im freien Handel erwerben, obwohl 35 000 ins Stadion passen. Die Straße, die zur Arena Lviv führt, wurde sogar mehrmals blockiert, doch diese Aktionen änderten die Politik der Veranstalter nicht. So wird das Spiel zu einem Fußballfest mit schlechtem Beigeschmack - für die, die Tickets nicht aus privaten Händen für völlig überhöhte Preise kaufen wollten. Dafür haben viele Fans schlicht kein Geld.

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