nd-aktuell.de / 26.11.2015 / Politik

Kein großer Wurf für bezahlbares Wohnen

Verbände-Bündnis legt Abschlussbericht vor - wenig Neues oder Innovatives / Grünen-Politiker Kühn: Bundesregierung muss jetzt endlich handeln

Timo Reuter

Es ist eine der drängendsten Fragen der deutschen Gegenwart: die Wohnungspolitik. Hunderttausende Menschen sind in Deutschland wohnungslos und gerade in Ballungsgebieten steigen die Mieten immer weiter an. Erst im Oktober gab die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe bekannt, dass die Zahl der Wohnungslosen seit 2008 um fast 50 Prozent auf im letzten Jahr 335.000 Menschen angestiegen sei, die über keinen mietvertraglich abgesicherten Wohnraum verfügten. Und nun kommen hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland, von denen die meisten auch eine Wohnung brauchen.

Gleichzeitig gibt es in Deutschland immer weniger Sozialwohnungen. Waren es Ende der 1980er Jahre noch gut vier Millionen, liegt der Bestand an geförderten Wohnungen inzwischen unter anderthalb Millionen. Die Politik trägt eine Hauptverantwortung an dieser Entwicklung – und wollte sich nicht länger wegducken. Das zumindest suggerierte Bundesbauministerin Barbara Hendricks, als sie im Juli vergangenen Jahres ein prestigereiches Bündnis schmiedete, dessen Name Programm sein sollte: »Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen«.

Vertreten waren praktisch alle wichtigen Akteure, was die Relevanz dieses Zusammenschlusses unterstreichen sollte: Das Bundesbauministerium, die Länder, denen die Hoheit über die Wohnungspolitik obliegt, und die Kommunen. Außerdem wurden zahlreiche Spitzenverbände beteiligt – wie etwa die Vermieterlobby Haus & Grund, der DGB, der Bund Deutscher Architekten und der Deutscher Mieterbund. Doch monatelang war von diesem Bündnis praktisch nichts zu hören.

Das soll sich jetzt ändern: Am Freitag präsentiert das Bündnis auf einem Spitzengespräch seinen Abschlussbericht, der »nd« exklusiv vorliegt. Darin sind alle Stichworte, die in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der zunehmenden Wohnungsnot in Ballungsräumen und den zusätzlichen Herausforderungen durch die Flüchtlinge schon hoch- und runter buchstabiert wurden: Baukostensenkung, Abbau von Hemmnissen beim Bau, Baulandgewinnung, verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen, Energieeffizienz finden sich ebenso im bunten Aufgabenreigen, wie die bereits zugesagte Weiterführung und Erhöhung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung und die Stärkung des genossenschaftlichen Wohnens. Auch vertreten ist endlich die dynamische Anpassung des Wohngeldes, die Sozialverbände schon seit Jahren fordern.

Zu einzelnen dieser Details ist wohl auch die Meinung der »Bündnispartner« unterschiedlich, wie dem Bericht zu entnehmen ist. Zudem hat das fast 30 Seiten starke Abschlussdokument, in dem sich wenig Neues oder Innovatives ausmachen lassen, nur empfehlenden Charakter. So urteilt denn auch der wohnungspolitische Sprecher der Grünen Chris Kühn in einer ersten Stellungnahme: »Das Bündnis hat monatelang getagt und präsentiert doch nur lauter alte Bekannte. Von Klimawohngeld über Mieterstrom bis hin zur Stärkung von Genossenschaften finden sich viele Grüne Ideen in den Empfehlungen wieder. Trotz vieler sinnvoller Vorschläge – der große Wurf in Sachen bezahlbares Wohnen ist das nicht.«

Dennoch knüpft Kühn an den Abschlussbericht eine Erwartung: »Das Bündnis hat Hendricks und ihren Kabinettskollegen einige wohnungspolitische Hausaufgaben mitgegeben. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie jetzt handelt und die Empfehlungen auch in die Tat umsetzt. Wenn Barbara Hendricks wirklich etwas tun will für bezahlbares Wohnen, darf sie nicht noch mehr Zeit verstreichen lassen.«