Werbung

Das billige Geld geht aus

Analysten erwarten eine geldpolitische Wende der US-Notenbank Fed

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit historisch niedrigen Zinsen bekämpfte die US-Notenbank Fed die Finanzkrise. Doch damit könnte bald Schluss sein.

Die Finanzwelt blickt nach Washington. Diesen Mittwoch dürfte die US-amerikanische Notenbank Fed erstmals seit fast zehn Jahren wieder ihre Leitzinsen anheben. Fed-Chefin Janet Yellen hat den Zinsschritt monatelang vorbereitet. Die Erwerbslosenquote in den USA liegt nur noch knapp über der Zielmarke von fünf Prozent und die Wirtschaft wächst zumindest verhalten. Mit einer bedächtigen Anhebung des Leitzinses um 0,25 Prozent könnte eine lange, quälende Ära zu Ende gehen.

Wirklich erfolgreich waren die Zentralbanken weltweit mit ihrer Nullzinspolitik nicht. Zunächst hatten sie mit einer Geldschwemme nur auf den Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 reagiert. Die Finanzmärkte konnten stabilisiert werden. Misstrauen herrscht dort aber immer noch: »Die Zentralbanken haben eventuell den Zusammenbruch des Geld- und Finanzsystems verhindert, aber dadurch sind auch nötige Reformen unterblieben«, sagt Helge Peukert von der Universität Erfurt. Später versuchten die Herren des Geldes, eine Deflation zu verhindern. Doch wie groß diese Gefahr tatsächlich gewesen ist, bleibt umstritten.

Trotz unterschiedlicher politischer Vorgaben - die Europäische Zentralbank (EZB) kümmert sich direkt nur um Preisstabilität, andere Notenbanken auch um Wachstum und Vollbeschäftigung - folgten Währungshüter derselben Leitidee: Sinkende Zinssätze sollen zu mehr Krediten führen und so Konsum und Investitionen anregen. Doch das trat nicht ein. Denn Inflation und Wirtschaftswachstum werden von Konsum- und Investitionsausgaben von Firmen, Staat und Bürgern bestimmt sowie vom Außenhandel. Auf diese Größen hat die Geldpolitik aber keinen direkten Einfluss. Die Zentralbanken können nur über Finanzdienstleister wirken. Aber die Übertragungswege sind unübersichtlich, die Wirkungen umstritten.

»Ein kleines Gedankenexperiment kann die Ursache verdeutlichen«, sagt der Chemnitzer Forscher Friedrich Thießen. Wenn ein Unternehmen keine Zinsen für Kredite zahlen muss, heiße dies noch lange nicht, dass sich nun jedes Projekt rechne. »Denn der Kapitalgeber will später sein Geld wieder zurückerhalten; Projekte müssen so vernünftig sein, dass sie dies gewährleisten.« Erst dann könne es losgehen und Jobs entstehen. »Hier ist die Geldpolitik völlig machtlos.«

Weiter geschwächt wurden die Notenbanken durch die Globalisierung. Einst konnte die Bundesbank mit ihrer Zinspolitik die Wirtschaftspolitik der ungeliebten Regierung von Willy Brandt ausbremsen. Damals bestand die Geldmenge aber noch überwiegend aus von der Bundesbank herausgegebenem Bargeld. Heute ist sie vor allem Buchgeld in Form von Guthaben von Unternehmen und Superreichen. Und dieser Überfluss liegt auch nicht mehr in einem bestimmten Land, sondern bewegt sich über den Globus. Selbst Fed und EZB haben da nur noch Einfluss auf einen Teil des Spielfeldes.

Im Ergebnis wird zu wenig investiert. Bei den Unternehmen hat sich stattdessen der Anteil des Geldkapitals spürbar erhöht, so die KfW-Bank in einer Studie. KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner: »Bereits seit 2002 wird in den Firmen durchgängig netto mehr gespart als investiert.« Dies ist kein allein europäisches Phänomen: US-Konzerne wie Google oder Apple haben riesige Bargeldreserven, die sie nicht anlegen.

Die Kollateralschäden des billigen Geldes sind erheblich: Von der Nullzinspolitik profitieren Banken, Staaten und Reiche. Sie trieb die Aktienkurse auf neue Rekordhöhen. Und wer schon Geld hat, kann sich fast umsonst noch mehr Geld leihen - um damit weitere Gewinne einzufahren.

»In den USA haben Geldpolitik und Finanzpolitik am gleichen Strang gezogen«, weist der Berliner Politikwissenschaftler Hermann Adam auf einen Unterschied hin. Beide waren über Jahre expansiv, und die positiven Wirkungen auf Wirtschaft und Jobs seien offenkundig. »Im Euroraum ist es genau umgekehrt.« Zwar sei die Geldpolitik der EZB expansiv, die Finanzpolitik jedoch - nicht zuletzt auf Drängen Berlins - restriktiv.

Die Zentralbanken »haben alles richtig gemacht«, meint der Ökonom Rudolf Hickel. »Aber sie sind nun mit ihrer Munition am Ende.« Und unterm Strich erweise sich die Geldpolitik in der Realwirtschaft »als völlig machtlos«. Politiker sollten deshalb nicht den Schwarzen Peter an die angeblich so mächtigen Notenbanken weiterreichen. »Wir müssen Nachfrage erzeugen«, weist Hickel den Weg, um die Weltwirtschaft in Schwung zu versetzen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal