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Nachhilfe für Berliner Hausbesetzer

Die Initiative »Soziales Zentrum für alle« fordert ein Gebäude, in dem sich Aktivisten, Anwohner und Geflüchtete organisieren können

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
Geflüchtete warten vor dem LAGeSo in der Kälte, während Gebäude in der Stadt leer stehen. Aktivisten versuchen mittels Hausbesetzungen daran etwas zu ändern.

»Ich weiß nicht, warum so wenig Leute zu unseren Besetzungen kamen«, sagt der Berliner Aktivist Paul Schwartz zerknirscht auf einer Diskussionsveranstaltung mit Göttinger und Leipziger Hausbesetzern im Kreuzberger Club SO36. »So wie die Besetzungen abliefen, haben wir vermutlich nur ein Szenepublikum angesprochen«, räumt er selbstkritisch ein.

Die Göttinger haben eins, die Leipziger hatten es für kurze Zeit und die Berliner wollen es: Die Rede ist von einem »Sozialen Zentrum für alle«. Die Berliner Initiative mit selbigem Namen hatte im Frühling dazu aufgerufen, ein selbstverwaltetes Zentrum aufzubauen, dass gleichzeitig auch als Flüchtlingsunterkunft dienen soll. Asylsuchende, die wochenlang ohne Schlafplatz auf ihre Registrierung warten, während Gebäude seit Jahren leer stehen - für die Aktivisten ein unhaltbarer Zustand. »Die Geflüchteten sind auf uns zugekommen und wollten ein Haus besetzen - Die Idee erschien uns einleuchtend«, sagt Schwartz. Während der 1. Mai-Demonstration dieses Jahres versuchten die Aktivisten das erste Mal, ein ehemaliges Einkaufszentrum in Neukölln zu besetzen. Die Türen wurden aufgebrochen, kaum jemand wollte das leerstehende Gebäude jedoch betreten. Im September versuchten es die Besetzer erneut mit einem Gebäude in Charlottenburg, im November mit einem ehemaligen Postgebäude in Neukölln. Beide Male waren nur wenige Dutzend Aktivisten vor Ort, beide Male hat die Polizei schnell geräumt. »Wir haben viele positive Reaktionen bekommen, auch von Flüchtlingsinitiativen wie ›Moabit hilft‹. Wir haben es jedoch nicht hinbekommen, diese umzusetzen«, sagt Schwartz. Eine fehlende Einbeziehung von neuen Leuten, keine Werbung in Flüchtlingsunterkünften, ein mangelhaftes Nutzungskonzept für das geplante Zentrum - zahlreiche Fehler sein gemacht worden. »Politischer Druck kann nur aufgebaut werden, wenn die breite Masse angesprochen wird«, erläutert Schwartz seine Erkenntnis.

In Leipzig und Göttingen ist man da bereits einen Schritt weiter. »Vermummt auf dem Dach Pyrotechnik anzuzünden sieht cool aus, bringt aber nichts« sagt die Aktivistin Maike Hirsch aus Göttingen. Dort wurde ein ehemaliges DGB-Gebäude besetzt, der Gewerkschaftsdachverband duldet die Aktivisten. Man habe Pressemitteilungen verschickt und sei zügig in Verhandlungen getreten, erklärt Hirsch ihr Vorgehen. In Leipzig warten die Aktivisten noch auf ihr Zentrum, haben jedoch bereits eine professionelle Kampagne gestartet. Ein Offener Brief an den Oberbürgermeister, aber auch regelmäßige Planungstreffen mit Interessierten und Geflüchteten, zu denen öffentlich eingeladen wird, hätten Zustimmung in der Gesellschaft geschaffen, so der Leipziger Aktivist Alexander Stein. Für die Berliner Besetzer gibt es noch einigen Nachholbedarf, meint ein Zuschauer aus dem Publikum. Entmutigen lassen wollen sich diese nicht: »Es geht Nichts daran vorbei: Es wird offener und es wird ein Haus geben«, sagt Paul Schwartz. »Haltet die Augen offen.«

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