Gezielte Schüsse auf Flüchtlingsunterkunft in Dreieich

Bewohner durch Kugel leicht verletzt / Staatsanwaltschaft Darmstadt spricht von gezieltem Angriff / LINKEN-Chef Riexinger: Spirale der Gewalt macht Angst / Grünen-Politiker Nouripour: Solche Angriffe gibt es eben nicht nur in Ostdeutschland

  • Lesedauer: 3 Min.

Auf eine Flüchtlingsunterkunft im hessischen Dreieich-Dreieichenhain ist ein Anschlag verübt worden. Der oder die Täter feuerten in der Nacht zum Montag gezielt mehrere Schüsse auf das Asylheim ab. Mindestens eine Kugel durchschlug dabei ein Fenster im Erdgeschoss des Hauses. Bei dem Angriff wurde ein 23-jähriger Bewohner durch einen Schuss leicht verletzt. Der junge Mann hatte in dem Raum geschlafen, auf welchen gegen 2.30 Uhr das Feuer eröffnet wurde. Die Flüchtlinge sind in einem eingezäunten Gebäudekomplex mitten in einem Gewerbegebiet untergebracht. In der Unterkunft wohnen nach Auskunft der Stadt Dreieich derzeit 30 Flüchtlinge.

Die Polizei hat die Unterkunft am frühen Montag abgeriegelt, die Ermittlungen des Landeskriminalamtes laufen. Eines steht für die Staatsanwaltschaft Darmstadt allerdings schon fest: »Das war ein gezielter Angriff, durch den für die Bewohner der Unterkunft eine hohe Gefahr ausging«, erklärte eine Sprecherin gegenüber der Hessenschau. Wie ein Bewohner der Unterkunft gegenüber dem Journal erzählte, habe er in der Nacht eine vermummte Gestalt gesehen, die mit einer Handfeuerwaffe sechs bis sieben Mal gezielt auf das Haus gefeuert habe.

Die Polizei selbst hält sich mit Äußerungen zur Tat und den Hintergründen bisher zurück: »Es kann alles sein, wir ermitteln in alle Richtungen«, so ein Sprecher. Dass es sich möglicherweise um einen Mordversuch gehandelt haben könnte, darüber machten die Beamten keine Angaben.

Deutlich klarere Worte fand Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Via Twitter erklärte er, man dürfe nicht zusehen, wie sich die Spirale der Gewalt weiterdrehe. Der Rechtsstaat dürfe und werde das nicht hinnehmen, so Maas. Auch LINKEN-Chef Bernd Riexinger meldete sich zu Wort: »Spirale der Gewalt macht Angst. Feige Täter mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgen. Unterkünfte besser schützen«, forderte er. Die Grüne Jugend Hessen erklärte, gezielte Gewalt gegen Flüchtlinge dürfe nicht toleriert werden. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour erklärte, die abscheuliche Tat in Dreieichen widerlege die These, solche Angriffe passierten nur im Osten.

Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im hessischen Landtag, spricht von einem mutmaßlichen Mordversuch. »Auch in Hessen gibt es gefestigte Neonazi-Strukturen und offenbar Täter, die vor gezielten Mordanschlägen nicht zurückschrecken«, so Schaus. Rechte Gewalt und neonazistische Strukturen seien kein ostdeutsches, sondern ein gesamtdeutsches Problem.

Für kommenden Samstag haben antirassistische Initiativen unter dem Motto »Solidarität mit allen Geflüchteten! Das Problem heißt Rassismus!« am Bahnhof von Dreieich-Dreieichenhain angekündigt. Die Initiatoren verurteilen in ihrem Aufruf den »versuchten Mordanschlag«. »Angesichts einer sich stetig verschärfenden aggressiven Stimmung gegen Asylsuchende und täglichen Angriffen auf deren Unterkünfte muss jedoch befürchtet werden, dass der Anschlag rassistisch motiviert war«, heißt es.

Bei dem Angriff handelt es sich nicht um den ersten dieser Art in der Region. Im April 2015 wurden in Hofheim im Main-Taunus-Kreis mehrere Schüsse mit einer Gaspistole auf eine Asylunterkunft abgegeben. Seit November muss sich ein 20-Jähriger mutmaßlicher NPD-Anhänger als möglicher Täter vor Gericht verantworten. rdm/nd

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