Staatsbesuch bei alten Feinden

US-Präsident Obama will neben Deutschland auch Kuba und Vietnam besuchen

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.
2016 ist Barack Obamas letztes Amtsjahr, da will er mit der Air Force One noch einmal richtig in die Welt hinaus fliegen.

Wie die US-Medienorganisation »Politico« mitteilt, plane der US-Präsident im neuen Jahr zahlreiche Reisen, um sein außenpolitisches Erbe zu gestalten. »Ein halbes Dutzend« seien fest gebucht, weitere wahrscheinlich, berichtete »Politico«, die vor den Toren Washingtons in Arlington erscheint, unter Berufung auf Quellen im Weißen Haus.

Üblicherweise konzentriert sich ein US-Präsident, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, im achten Jahr auf seine Rolle als Staatsmann. So kann er etwas für seine Hinterlassenschaft tun und Abstand zum Wahlkampf um seine Nachfolge halten.

Mitarbeiter betonen, dass die Auslandspläne Barack Obamas für 2016 umfangreicher seien als das Routineprogramm eines scheidenden Präsidenten. So sollten die Reisen dazu dienen, »das Transpazifische Freihandelsabkommen zu besiegeln, mehr Augenmerk auf Asien zu richten, eine politische Öffnung zu Lateinamerika anzustoßen, Fortschritte im Kampf gegen den Islamischen Staat zu erzielen und weltweit im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels voranzukommen«.

Für fünf Touren stehen die Termine: Ende April zu Kanzlerin Merkel, G7-Gipfel im Juni in Japan, NATO-Gipfel im Juli in Polen, G20-Treffen im September in China und der Gipfel für die Wirtschaftskooperation der Pazifik-Anrainer in Peru im November nach der US-Präsidentenwahl. Weitere Ziele seien im Gespräch; die einzigen Kontinente, die das Weiße Haus ausschließt, sind Australien und die Antarktis. So könne es trotz großer Afrikatour 2015 in Verbindung mit einer Europareise auch 2016 einen Afrikabesuch geben.

Mitarbeiter des Präsidenten rechnen zudem damit, dass er 2016 - 41 Jahre nach Ende der Aggression gegen das südostasiatische Land - Vietnam besucht. Der Staat am Mekong, der das wachsende Gewicht Chinas in der Region durchaus mit Sorge betrachtet, ist am Ausbau seiner Beziehungen zum einstigen Kriegsgegner USA interessiert.

Denkbare weitere Reiseziele sind Argentinien, Brasilien und Kolumbien, wo im letzteren Falle die Regierung und die linke Rebellenorganisation FARC im September, unter Vermittlung von Kubas Präsidenten Raúl Castro, eine Friedensvereinbarung erzielten.

Nicht zuletzt besteht die Chance eines Kuba-Besuchs! Für ihn laufen derzeit die Sondierungen. Barack Obama hat offen erklärt, gern fahren zu wollen. Das Weiße Haus arbeitet nun daran, dass er noch als Präsident nach Havanna reisen kann. Gerechnet wird damit, dass ein Kuba-Aufenthalt in Verbindung mit der Reise in andere Länder Lateinamerikas erfolgt. Ein Besuch Kubas - nach 50 Jahren kaltem und heißem Krieg sowie gescheiterter US-Isolationspolitik - wäre nach der vor einem Jahr eingeleiteten Entspannung und wieder eingerichteten Botschaften ein nächster bedeutender Normalisierungsschritt, im Übrigen der erste Kubabesuch eines US-Präsidenten seit 1928.

Obamas stellvertretender Sicherheitsberater, Ben Rhodes, erklärte »Politico«, das letzte Amtsjahr mache den Präsidenten nicht automatisch zur »lahmen Ente«. Zudem werde Obama nach seiner Präsidentschaft - erst 55 Jahre alt - nicht aus der Welt sein, sondern viele Jahre internationaler Akteur bleiben. Große Unbekannte, auch für die Reiseplanung 2016, bleibt freilich Syrien.

Das sei »das teuflischste Problem überhaupt«, wie Strobe Talbott, Präsident der Denkfabrik Brookings, sagt. Bis zum Ende von Obamas Amtszeit könne sich der Syrienkrieg - nicht zuletzt wegen fortbestehender Differenzen zwischen Washington und Moskau - sogar zuspitzen. Auch deshalb sollte keiner zu viel von Obamas letzter Rede zur »Lage der Nation« am 12. Januar erwarten. Darin wird er, Tradition in einem Präsidentschafts-Wahljahr, kaum neue Gesetze anregen, um seine Nachfolgerin oder den Nachfolger nicht einzuengen. Aber er wird auch nicht mit letzter Klarheit sagen, welche weiteren Stationen zu seiner Reisewelle gehören könnten.

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