Kabinett regelt Betriebsrenten neu

Unternehmen sollen entlastet werden

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Die Bundesregierung unterstützt Betriebe bei den Rückstellungen für Pensionen: Die Berechnungsgrundlage wird wegen der derzeit niedrigen Zinsen angepasst.

Berlin. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern eine Betriebsrente anbieten, sollen bei den Pensionsrückstellungen entlastet werden. Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch eine Änderung der Regelungen zur Berechnung der milliardenschweren Rückstellungen. Die derzeitigen Niedrigzinsen zwingen Firmen, für Betriebsrenten immer mehr Geld zurückzulegen. Wirtschaft und Union hatten Anpassungen gefordert, auch Gewerkschaften machten sich für Änderungen stark.

Diese wurden an das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie »angehängt«. Für die Kalkulation des Zinssatzes zur Berechnung der Rückstellungen soll nun der Durchschnitt der vergangenen zehn Geschäftsjahre zugrunde gelegt werden statt wie bisher sieben Jahre. Vor zehn Jahren war das Zinsniveau höher als heute.

Die Änderung wird mit einer Ausschüttungssperre verknüpft, »damit aus der Umstellung der Berechnung keine unangemessenen Gewinnmitnahmen entstehen«. Unternehmen sollen die Neuregelungen auch rückwirkend für das Geschäftsjahr 2015 anwenden dürfen. »Wir wollen für die Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen, damit die Betriebsrenten sicher bleiben«, sagte Justizminister Heiko Maas (SPD).

Pensionsverpflichtungen sind erst in Jahren fällig. Je stärker der Zinssatz für ihre Bewertung sinkt, desto mehr müssen Unternehmen für Pensionsverbindlichkeiten zurücklegen. Diese Verpflichtung steht in den Bilanzen zum Gegenwartswert. Dafür gibt es den Rechnungszins. Für eine Rückstellung, die eine 15-jährige Verpflichtung abdecken soll, betrug Ende 2014 der Durchschnittszins laut Ministerium 4,53 Prozent. Ende 2015 sei er auf etwa 3,89 Prozent gesunken. Je mehr Niedrigzinsjahre in die Berechnung eingehen, desto tiefer sinkt der Zins.

Am Dienstag hatte die Europäische Versicherungsaufsicht EIOPA bei den Betriebsrenten in Europa große Finanzierungslöcher ausgemacht. Im schärfsten Szenario des Tests summierte sich die Lücke zwischen Vermögenswerten und Verpflichtungen betrieblicher Pensionskassen auf 773 Milliarden Euro. Dazu wurde in 17 Ländern ein Absturz der Zinsen und Vermögenswerte sowie ein Inflationsanstieg simuliert. Schon bei den bisherigen Zinsen und Vermögenswerten fehlen laut EIOPA 428 Milliarden Euro.

Europaweit gibt es unterschiedliche Systeme. Besonders gefährdet sind demnach solche, bei denen Betriebe feste Zusagen über die tatsächliche Höhe der Betriebsrenten machen. Manche Firmen versuchen deshalb, nur ihre Beiträge für die Altersversorgung festzuschreiben. Dann liegt das Risiko der Zins- und Aktienkursentwicklung bei den Beschäftigten. Um dieses Thema dreht sich auch der Konflikt zwischen der Lufthansa und den Piloten.

Der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold bezeichnete die Lage sogar als noch dramatischer: »Ein realistisches Szenario mit langfristig niedrigen Zinsen und längeren Lebenserwartungen wurde gar nicht erst gerechnet.« Pensionäre und Firmen müssten durch effektive europäische Regulierung geschützt werden, so Giegold. dpa/nd

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