Druck auf Portugals Mitte-links-Regierung steigt

Das Costa-Kabinett will die Konjunktur ankurbeln, Brüssel spricht von Verstößen gegen die EU-Etatregeln

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU-Kommission und Ratingagenturen kritisieren den Haushalt der neuen Mitte-links-Regierung in Lissabon.

Ein Ende der Spar- und Kürzungspolitik soll es in Europa offenbar nicht geben, wie der Druck der EU-Kommission in Brüssel auf die neue Mitte-links-Regierung in Portugal zeigt. Die könnte durchaus beweisen, dass es auch mit einer anderen Politik möglich ist, die verlangten Haushaltsziele zu erreichen. So will sie Lohn- und Rentenkürzungen der konservativen Vorgänger genauso zurücknehmen wie die eingeführten Sondersteuern und Steuererhöhungen für große Teile der Bevölkerung. Wie mit den Unterstützern des Linksblocks (BE) und der grün-kommunistischen CDU vereinbart, hat die Regierung der Sozialisten (PS) unter Antonío Costa damit begonnen und entsprechende Maßnahmen in den Haushalt 2016 aufgenommen.

Der Entwurf missfällt der EU-Kommission. Der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici und der EU-Vizepräsident Valdis Dombrovskis haben einen kritischen Brief an den portugiesischen Finanzminister Mário Centeno geschickt und sprechen darin von »schwerwiegenden Verstößen« gegen die Haushaltsregeln. Brüssel fordert zunächst Erklärungen. Seien die nicht überzeugend, könne »die Kommission einen berichtigten Haushaltsplan fordern«.

Die Regierung glaubt, die eingeleiteten Maßnahmen würden die Konjunktur im Land ankurbeln, womit die Wirtschaft 2016 um 2,1 Prozent wachsen werde. Die EU-Kommission orientiert sich mit ihrer Schätzung von 1,6 Prozent an der Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF). Damit, so rechnet Brüssel, werde das Defizit 3,4 Prozent betragen, während die portugiesische Regierung von 2,6 Prozent ausgeht und das EU-Stabilitätskriterium von drei Prozent einhalten will.

Auch Experten wie der Eurozonen-Volkswirt Christian Schulz von der großen US-Bank Citi erwarten, dass die neue Politik »positiv auf das Wachstum« wirke, da Ressourcen in der Wirtschaft brachlägen. Dann würden »Steuereinnahmen nach oben schnellen«, womit die geplanten Maßnahmen finanzierbar wären. Zudem soll es höhere Steuern für Besserverdienende und eine Steuer für Millionenerben geben.
Da Portugal schon unter der Austeritätspolitik im dritten Quartal 2015 ein Wachstum von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete, ist das Ziel der Regierung durchaus erreichbar, wenn die darbende Binnenkonjunktur anspringt. Deshalb will auch der neu gewählte konservative Präsident Marcelo Rebelo de Sousa den Haushalt absegnen, um den »sozialen, ökonomischen und politischen Frieden wiederherzustellen«.

Die Regierung spielt den Brief herunter. Regierungschef Costa spricht davon, dass man sich in einer »technischen Diskussion« befinde und Brüssel Portugal nicht die »Glaubwürdigkeit« abgesprochen habe. Die Opposition wirft ihm aber vor, er versuche das Defizit »künstlich« zu schönen. Dagegen fordern die linksradikalen Unterstützer von Costa, gegenüber Brüssel standhaft zu bleiben.

Probleme könnte Portugal bekommen, da sich die Ratingagenturen auf das Land einschießen. Fitch nannte den Haushalt »irreal«, Moody's kritisiert eine Strategie, die auf Erhöhung des »privaten Konsums und Lohnerhöhungen« basiere, und Standard&Poor's forderte »zusätzliche Maßnahmen«, um das Defizit abzubauen. Gedroht wird mit einer weiteren Abstufung der Bonitätsnote. Kritisch wird es, wenn sich auch die kanadische Agentur DRBS anschließen würde. Es ist die einzige, die Portugals Staatsanleihen nicht als »Ramsch« einstuft. Wird Portugal von DRBS abgestuft, dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) keine Anleihen des Landes mehr kaufen. Die Zinsen könnten stark steigen und damit würde der Haushalt gesprengt.

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