Harriet hätte sich nicht instrumentalisieren lassen

Erstmals sollen US-Dollarscheine Frauenbilder zieren - das Ansinnen trifft auf heftige Proteste.

  • Victor Grossman
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Macht des US-Dollar ist in der Finanzwelt mitunter umstritten. Nicht zu bestreiten ist, dass auf den US-Scheinen noch nie das Konterfei einer Frau zu sehen war. Auf D-Mark und DDR-Mark gab es sie, in Frankreich ist es Marianne, Ikone der Republik, nach dem berühmten Gemälde von Eugène Delacroix von 1830 »Die Freiheit führt das Volk«. Auf allen britischen Pfundscheinen darf man die Queen bewundern. Dollarscheine waren jedoch bislang männlich. Das soll sich nun ändern.

Nach jahrelangen Debatten und Abstimmungen beschloss man, auf dem 20-Dollar-Schein, den nach dem Ein-Dollar-Schein am häufigsten benutzten, Präsident Andrew Jackson auf die Rückseite zu verbannen und dafür Harriet Tubman (ca. 1820 - 1913) auf die Vorderseite in Pose zu setzen. Ein Ansinnen, das man als gutgemeint bezeichnen kann, das aber heftige Gegnerschaft findet.

Harriet Tubman hat jegliche Ehrung verdient. Auf einer Plantage geboren, musste sie schon als Kind auf einer solchen schuften und wurde im Alter von 13 Jahren von einem Antreiber am Kopf fast tödlich verletzt; die Narbe und kurzzeitige Komaanfälle behielt sie lebenslang. Als junge Frau flüchtete sie durch Forst, Fluss und Sumpf über 145 Kilometer nach Pennsylvania, wo es keine Sklaverei mehr gab. Obwohl sie als »Entflohene« gesucht wurde und auf ihre Ergreifung eine Belohnung ausgeschrieben war, kehrte sie zurück, um ihre Schwester und deren Familie in die Freiheit zu holen.

In der Folge führte sie wieder und wieder, ihr eigenes Leben riskierend, ganze Gruppen von versklavten Männern, Frauen und Kindern aus dem Süden nach Norden, sogar bis nach Kanada, denn ab 1850 gab es ein Gesetz, wonach die Nordstaaten verpflichtet wurden, entlaufene Sklaven an die Südstaaten auszuliefern. Neunzehn Gruppen sollen es gewesen sein, die Harriet Tubman in die Freiheit lotste. Sie zogen des Nachts los und versteckten sich am Tage. Einige mutige Gegner der Sklaverei halfen den Flüchtenden mit Unterkunft und Nahrung. Es entstand ein Netzwerk, die sogenannte Underground Railroad (Untergrundbahn), und Harriet Tubman wurde bald bewundernd »Moses« oder auch »General« genannt. Sie war klein und zierlich, aber unerschrocken und zäh. Als einer der Mitflüchtenden sich aus Angst und Erschöpfung den Häschern ergeben wollte, hielt sie ihm eine Pistole an dem Kopf: »Du kommst mit oder du stirbst.« Sie wusste, man hätte den Mann so lange gefoltert, bis er die Route der Geflohenen verriet. Das konnte, das durfte sie nicht riskieren. Stolz bemerkte sie einmal: »Auf meiner Underground Railroad ist nie ein Zug jemals entgleist und ich habe nie auch nur einen einzigen Passagier verloren!«

Als 1861 der Bürgerkrieg begann, arbeitete Harriet Tubman zuerst nur als Köchin und Krankenschwester bei der Armee der Nordstaaten. Doch die kleine schwarze Frau bewies bald, dass sie ohne aufzufallen die Sklavenquartiere im Süden aufsuchen konnte, um kriegswichtige Informationen zu erhalten. Einmal lenkte siegeschickt drei Boote mit 300 Soldaten durch einen verminten Fluss, um einen Militärstützpunkt der Südstaaten anzugreifen; dabei wurden 756 Sklaven befreit. Die befreiten Männer meldeten sich zur Armee der Nordstaaten, was Präsident Abraham Lincoln ermöglicht hatte.

Harriet Tubman, die einen nicht gering zu schätzenden Anteil am Sieg der Nordstaaten über die Südstaaten hatte, wurde dies nach dem Bürgerkrieg »gedankt«, indem man sie während einer Bahnfahrt brutal aus dem Waggon stieß, weil dieser »nur für Weiße« sei. Jahrzehntelang verweigerte der Kongress ihr eine Kriegsrente, erst im Alter von 80 Jahren wurden ihr klägliche Almosen von monatlich 25 Dollar genehmigt. Harriet Tubman, die sich auch stark für Frauenrechte engagierte, blieb aber unvergessen in der afro-amerikanischen Bevölkerung der USA.

In ihrer Verewigung auf dem 20-Dollar-Schein sehen einige eine längst überfällige Ehrung. Andere stört, dass auf dem Schein auch Präsident Jackson zu sehen ist, der selbst 150 Sklaven »besaß« und weniger als Gründer der Demokratischen Partei berühmt wurde, sondern vielmehr als Schlächter von Tausenden Indianern durch Vertreibung aus deren angestammter Heimat in die Ödnis Oklahomas. Andere wiederum finden die Aktion scheinheilig, solange Frauen in den USA wirtschaftlich benachteiligt werden, im Schnitt nur 78 Prozent des Gehalts der Männer erhalten, eine schwarze Frau sogar nur 64 Cent pro Dollar, den ein männlicher weißer Arbeitskollege verdient. Und bisher schaffte es nur eine schwarze Frau, Senatorin zu werden. Harriet Tubman sollte nicht als Aushängeschild missbraucht werden. Ihr selbst hätte das sehr missfallen. Gleiche Vorbehalte findet das Vorhaben, auf dem 10-Dollar-Schein fünf Wahlrechtskämpferinnen abzubilden. Der Rassismus ist noch sehr gegenwärtig.

Von unserem Autor, 1928 in New York geboren, erschien 2012 »Rebel Girls. 34 amerikanische Frauen im Porträt«.

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