Fußballerische Promiskuität

Nach der Hommage an den 1. FC Nürnberg folgt nun eine an die Spielvereinigung Fürth. Fränkische nd-Leser werden behaupten, dass so etwas nicht geht – die beiden mögen stillschweigen...

Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten. Was der gute Hans Jakob Rousseau einst beklagte, kann heute mit Nachdruck wiederholt werden. Dass ich heute Morgen Erdbeermarmelade auf mein Sonntags-Brötchen geschmiert habe, weiß die NSA schließlich sicher genauso zweifelsfrei wie mein Amazon-Account mir zielsicher Bücher empfiehlt (»könnte Sie interessieren«), die ich selbst geschrieben habe.

Ketten, wohin man nur schaut

Und als ob das nicht ärgerlich genug wäre, darf ich noch nicht mal parallel Sympathien für den bedauernswerten Club und die Spielvereinigung Greuther Fürth haben. Zumindest heißt es das allüberall in Nürnberg und Fürth. So etwas gehe nicht, heißt es in beiden Fanlagern in seltener Eintracht.

Die fränkischen nd-Leser – und zwar alle beide – müssen jetzt ganz stark sein. Denn nach der Hommage an den FCN in der vergangenen Woche folgt nun die Hommage an das Kleeblatt. Jawollja!
Zunächst sei auf die Stadt als solche verwiesen: Es gibt Reiseführer, in denen die Reize von Erlangen und Nürnberg ausgiebig beschrieben werden, Fürth aber mit ein paar lapidaren Sätzen (Arbeiterstadt, Quelle...) abgehandelt und als reizlos beschrieben wird.

Reizlos? Ausgemachter Unsinn. Der Südstadtpark ist grandios, die Altstadt sowieso, wer an einem regnerischen Winterabend durch die Marienstraße mit ihrem Kopfsteinpflaster und den alten Fassaden geht, ertappt sich beim sicheren Gefühl, dass jeden Moment eine Pferdedroschke mit Gaslicht im Führerhaus um die Ecke geprescht kommen muss. Flair und Ambiente sind Worte, die man aus gutem Grund den PR-Abteilungen von Reiseveranstaltern überlassen darf. Ich sag`s anders: Fürth hat Charakter!
Genau das gilt auch für den ortsansässigen Fußballverein. Wohlwissend, dass Franken so mehrheitlich schwarz-rot ist wie Altötting tiefschwarz, haben sich die Anhänger der Fürther über Jahrzehnte einen trotzigen Stolz auf ihr Exotentum erarbeitet. Am Glubb müssen sie sich allerdings genauso zwanghaft abarbeiten wie es umgekehrt in einer Fanszene der Fall ist, in der jeder dritte Ultra den Slogan »Anti FÜ« auf seinem Beanie spazierenträgt.

In Fürth verliest der Stadionsprecher in der Halbzeit Geburtstags- und sonstige Grüße. Vergangene Woche, im Spiel gegen Sandhausen ließ einer seinen Eltern dafür Dank ausrichten, »dass ich kein Club-Fan geworden bin.«

Wenn sie nicht grad über den Verein auf der Nachbarstadt sprechen – was sie allerdings stundenlang tun – sind die Fürther allerdings ein ausgesprochen liebenswertes und friedliches Völkchen, das sich vor und nach den Heimspielen zu vielen vielen Bieren im Stadtzentrum trifft. Auch da wissen sie, was Sache ist. Sollen doch die Kohorten von Junggesellenabschieden und anderen Halbhirn-Veranstaltungen durch Düsseldorf und Köln toben, echte Kenner wissen, dass die Fürther Gustavstraße die einzig wahre Kneipenmeile der Republik ist. Wie man da hinkommt? Zu Fuß natürlich. In Fürth sind die Wege kurz. Es reicht schließlich, wenn die Abende lang werden.

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