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Ein Lob dem Studienabbruch

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Stets von sich zu reden, wenn es um gute Bildung geht, ist das Metier der Gymnasiallobby und der Exzellenzuniversitäten. Nun aber bricht die Industrie und Handelskammer Berlin eine Lanze für Studienabbrecher. Mit einer eigens für diese Zielgruppe ausgerichteten Messe bot sie laut ihk.de »allen Studienaussteigern eine ›Passgenaue Vermittlung‹ in jede Berufsausbildung mit IHK-Abschluss« und scheint damit laut Deutschlandfunk »einen Nerv getroffen« zu haben. Die Messe sei gut angekommen, es habe ein reges Interesse gegeben. Und so zitiert dlf.de die Ausbildungsleiterin einer Bio-Supermarktkette: »Wir bilden gerne Studienabbrecher als Einzelhandelskaufleute aus, die sind sehr kommunikativ.« Viola Bösebeck von der IHK sieht dann auch in einem »verpatzten Studium keinen Makel für den Rest des Lebens«. Für sie ist die vorherrschende Meinung, »nur mit Studienabschluss hast Du Karrierechancen, einfach nicht korrekt.«

Dass dabei andere verdrängt werden, vergisst man schnell. Laut tagesspiegel.de hat eine Umfrage der IHK ergeben, dass in Berlin jeder dritte Ausbildungsplatz nicht besetzt werden kann. Grund sei der Mangel an »Ausbildungsreife«. Die Betriebe beklagten Defizite im »mündlichen und schriftlichen Ausdrucksvermögen, fehlende Leistungsbereitschaft und Motivation sowie geringe Belastbarkeit«. Auf bildungsbericht.de kann man über die Ursachen lesen. Der Bericht stellt »soziale Herkunftsunterschiede bei Wortschatz- und Grammatikkompetenzen in der deutschen Sprache bereits im Alter von 5 Jahren« und einen Sprachförderbedarf bei einem »knappen Viertel der Kinder dieser Altersgruppe« fest. Dies zeige, dass schon »vor dem Übergang in die Schule manifeste sprachliche Kompetenzunterschiede bestehen, die abzubauen nach wie vor eine dringliche Aufgabe bleibt«

Auch spiegel.de sieht einen »dramatischen Mangel an Auszubildenden«. Einige User argumentieren hierzu wie david-39: »Wie wär’s, wenn man den Gesellen, Meistern und Technikern einen Lohn zahlen würde, mit dem es sich mit einer 3-4 köpfigen Familie leben lässt? Es will niemand KFZ-Mechatroniker werden, um dann nach 60 Stunden Arbeit pro Woche 1300 Euro netto nach Hause zu bringen. Die einzigen Firmen, die noch Tarif bezahlen, sind die großen wie VW und Siemens etc. - solange man zur Stammbelegschaft gehört und nicht von Sklaventreibern verliehen wird, für 7 Euro brutto die Stunde. (...) Beliebte Unternehmen stellen nur noch Abiturienten ein und wundern sich dann, wenn diese nach der Ausbildung und in Hinblick auf ihre zukünftige Entlohnung, anfangen zu studieren.«

faz.net legte seinen Fokus hingegen auf die Abbrecherquote bei Gymnasien: »Während das Gymnasium im Laufe der Jahrgangsstufen 5 bis 9 durch Abbrüche oder Wechsel auf andere Schulen insgesamt zehn Prozent seiner Schüler verliert, nehmen gleichzeitig die Schülerzahlen an den anderen weiterführenden Schulen zu.«

»Dann schenken wir diesen 10 Prozent doch auch noch das Abitur. Bei einer Durchfallquote in den MINT-Fächern von 50 Prozent kommt es auch nicht mehr darauf an«, kommentiert Staatsbürger_By

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