Wohlgelitten und verdrossen

Befragung zeigt erneut gestiegenes Ansehen von Staatsdienern

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Feuerwehrleute sind und bleiben die höchstangesehene Beschäftigungsgruppe. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass es dem öffentlichen Dienst nach wie vor nicht gut geht.

»Ich will Feuerwehrmann werden!« Mit diesem Satz bricht Grisu, der kleine Drache, mit seinem feuerspeienden Vater und zieht in die weite Welt hinaus. Vielleicht hat die seit den 1970er Jahren auch im westdeutschen Fernsehen ausgestrahlte italienische Zeichentrickserie nachhaltig auf das Ansehen der gesamten Berufsgruppe gewirkt. Feuerwehrleute genießen unter den Beschäftigten im öffentlichen Dienst das höchste Ansehen in der Bevölkerung. Im Gegensatz zu Managern und Steuerberatern ist ihr Ansehen noch gestiegen. Den größten Sprung mit plus 15 Prozent seit 2007 hat allerdings der Müllmann gemacht.

Das ist ein Ergebnis der »Bürgerbefragung öffentlicher Dienst« des deutschen beamtenbundes und tarifunion (dbb). Der größte Gewerkschaftsdachverband neben dem DGB organisiert rund 1,28 Millionen Tarifbeschäftigte und BeamtInnen in 43 Mitgliedsgewerkschaften im Dienste von Bund und Kommunen sowie den Bundesländern. Dazu zählen LehrerInnen ebenso wie PolizistInnen, ForstarbeiterInnen oder auch IngenieurInnen oder ÄrztInnen.

Das Ansehen der Beschäftigten ist in den letzten Jahren stetig gestiegen und steigt weiter. Zu dem Schluss kommt die aktuelle Forsa-Umfrage, die deren Geschäftsführer Manfred Güllner zusammen mit dem dbb-Vorsitzenden Klaus Dauderstädt am Dienstag in Berlin vorstellte. Zum achten Mal führte das Institut die repräsentative Befragung im Auftrag des dbb durch. Und der Trend hält an: Der öffentliche Dienst insgesamt steigt im Ansehen stetig, BeamtInnen werden im Schnitt von über drei Vierteln der Befragten als verantwortungsbewusst, zuverlässig, rechtschaffen und hilfsbereit angesehen. An der Spitze der negativen Eigenschaften steht »stur«. Das könne daran liegen, so Güllner, dass sich die Staatsbediensteten in der Wahrnehmung zu oft zu streng an ihre Vorschriften halten und selten mal ein Auge zudrücken.

85 Prozent der BundesbürgerInnen stimmten der Aussage zu, dass in einem Staat, der viel für seine BürgerInnen tun will, eine starke öffentliche Verwaltung unerlässlich sei. Vor vier Jahren dachten das noch 76 Prozent. Zu dieser Zahl passt ein weiteres Ergebnis der aktuellen Umfrage: Die »Privatisierungseuphorie« der letzten Jahre sei »völlig abgeflaut«, nachdem man gemerkt habe, »dass nichts besser und billiger geworden ist«. Haben sich 2007 noch 24 Prozent für weitere Privatisierungen von öffentlichen Einrichtungen ausgesprochen, waren es 2014 nur noch zwölf Prozent. Die Zahl derjenigen, die lieber eine Rekommunalisierung von Unternehmen und Einrichtung sähen, stieg von 19 auf 28 Prozent.

Doch die Bevölkerung ergeht sich freilich nicht nur in Jubel über ihren öffentlichen Dienst. Zwar sind die Werte seit Beginn der Befragungen rückläufig, aber noch immer sehr hoch: 70 Prozent sagen: »Die öffentliche Verwaltung ist zu aufgebläht und kostet zu viel.« Sehe man sich »manche Gebäude, Behörden und Ministerien an, kann man zu diesem Schluss kommen«, kommentierte Klaus Dauderstädt. Des Weiteren empfinden ebenfalls rund drei Viertel der Befragten die Verwaltung als viel zu schwerfällig, sehen immer mehr Bürokratie als Einschränkung der Freiheit des und der Einzelnen und wollen mehr Freiheiten für Initiativen von BürgerInnen.

Die Selbsteinschätzung der Tarifbeschäftigten und BeamtInnen fällt weniger positiv aus. 82 Prozent sehen, dass ihre Einkommen im Vergleich zur freien Wirtschaft weniger stark gestiegen sind, die Hälfte empfindet ihr Einkommen im Vergleich als zu niedrig. Die Hälfte der BeamtInnen beklagt verschlechterte Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren, bei den Tarifbeschäftigten sind es 37 Prozent. Und auch die Sicherheit der Arbeitsplätze oder die besseren Aufstiegschancen sind längst keine tragenden Argumente mehr pro öffentlicher Dienst. Die Konkurrenz um den Nachwuchs ist hart. Bereits jetzt fehlten dem öffentlichen Dienst IngenieurInnen und ÄrztInnen.

Der Glaube, dass Parteien aus der Misere helfen können, ist dagegen weitgehend abhanden gekommen. Weniger als die Hälfte der Beschäftigten denkt, dass die Parteien eine Politik für eine gute Einkommensentwicklung machen und für das Ansehen oder eine positive Entwicklung des öffentlichen Dienstes arbeiten. Die Opposition erhält Werte zwischen einem und sechs Prozent, der Rest verteilt sich auf SPD und CDU/CSU. »Das ist ein Maß an Skepsis und Verdrossenheit, das nicht gut ist«, sagte Dauderstädt. Der öffentliche Dienst sei »die Kehrseite der Medaille des Staates«. Er könne aber angesichts von Streitigkeiten mit der Arbeitgeberseite die Enttäuschung vieler öffentlich Bediensteter verstehen - beispielsweise mit dem wiederkehrenden Streit um die Übernahme von Tarifergebnissen für BeamtInnen. »Wir müssen die Gerichte bemühen, um den Gesetzgeber daran zu erinnern, was verfassungsmäßig geboten ist.«

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