Denn zum Essen sind sie da!

Politiker bekommen auf dem Weg zur Arbeit einen Frühstücksimbiss aus überzähligen Lebensmitteln

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.
400 Tonnen Lebensmittel werden stündlich in Deutschland entsorgt - unnötigerweise. Vor dem Bundestag erwartete die Politiker am Freitagmorgen Frühstücksimbiss: Essen, das eigentlich weggeworfen werden sollte.

Der frühe Vogel wird belohnt. Auf dem Weg in den Bundestag erwartete die Politiker am Freitagmorgen in Berlin ein üppiger Frühstücksimbiss. In Bauchläden trugen die Vertreter des Bündnisses »Genießt uns!« Backwaren, Obst, Gemüse und Süßigkeiten vor sich her. Essen, das eigentlich in der Mülltonne hätte landen sollen. Nicht etwa weil es schlecht, sondern weil der Apfel nicht rund, die Gurke nicht gerade genug war oder das Mindesthaltbarkeitsdatum nahte. Das Bündnis will mit dieser Aktion auf die enorme Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam machen. Allein in Deutschland werden stündlich rund 400 Tonnen genießbarer Lebensmittel weggeworfen.

Renate Künast und Bärbel Höhn (beide Grüne), die als erste bei dem beweglichen Buffet angekommen sind, greifen ordentlich zu. Künast liest das Mindesthaltbarkeitsdatum auf einer gefüllten Schultüte vor: haltbar bis 2016. »Warum sollten die weggeschmissen werden?«, fragt sie. Die Antwort ist so simpel wie unverständlich. Die Einschulungszeit ist vorbei, alle Schokolade wandert in den Müll, auch wenn sie noch zwei Jahre haltbar ist. Dass dieses Schicksal nicht nur die Schultüten ereilt, erlebt Andreas Thiede von der Tafel täglich. 15 Transporter hat die Tafel in Berlin im Einsatz, trotzdem haben sie nicht die Kapazitäten, alle aussortierten Lebensmittel abzuholen. Und Tanja Dräger vom WWF erklärt: »Rechnet man die weggeworfenen Lebensmittel auf die Anbaufläche um, sind das 2,4 Millionen Hektar. Das entspricht der Fläche von Mecklenburg-Vorpommern.«

Mitglieder des Bündnisses sind der WWF, die Deutsche Welthungerhilfe, Foodsharing, United Against Waste, der Bundesverband Deutsche Tafel e.V. und die Verbraucherzentrale NRW. Die Initiative will auf die Verschwendung aufmerksam machen und dabei an allen Punkten der Wertschöpfungskette ansetzen. Geplant ist ein Lebensmittelcheck, der Maßnahmen zur Verringerung von Abfällen bewertet. »Wir wollen eine Plattform für gute Beispiele sein«, so Dräger. »Dabei geht es nicht nur um große Handelsketten. In jedem Hotel, Restaurant oder Cateringservice kann man etwas tun.« Buffets müssten beispielsweise nicht bis zur letzten Minute voll gefüllt sein, Restaurants sollten kleinere Portionen und dafür kostenlosen Nachschlag anbieten.

Nach und nach stoßen auch andere Politiker dazu und greifen mal beherzt, mal zögerlicher in die Bauchläden. Elvira Drobinski-Weiß (SPD) bekräftigt, dass man nicht nur die Endverbraucher in den Blick nehmen müsse. »Ein großer Teil der Lebensmittel wird der Landwirtschaft vom Handel gar nicht erst abgenommen.« Und Karin Binder (LINKE) findet: »Parallel zu den Massen, die weggeschmissen werden, sitzen Kinder in der Schule und haben kein Mittagessen. Das ist ein Armutszeugnis für ein so reiches Land wie Deutschland.«

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensmittelverschwendung bis 2020 zu halbieren. 2012 gab es dazu bereits einen fraktionsübergreifenden Antrag. »Da standen viele gute Sachen drin«, meint Dräger. »Nur leider ist der Antrag in einer Schublade verschwunden und nichts ist passiert.«

Nach einer Stunde sind die Politiker davongezogen. Sie sind satt und die Organisatoren der Aktion zufrieden. »Wir haben sehr positive Resonanz bekommen. Jetzt hoffen wir natürlich, dass die Politiker das Thema auch in die parlamentarische Arbeit hineintragen.«

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