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Regionale Farbenspiele

In Mecklenburg-Vorpommern wollen Grünen-Politiker eine Annäherung an die CDU. Auch in anderen Ländern gilt dies als Option

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Über ihr Verhältnis zur CDU streiten die Grünen schon seit Jahren. Dieser Konflikt wird nun auch – etwas überraschend – in Mecklenburg-Vorpommern ausgetragen.

Eigentlich ist es in Mecklenburg-Vorpommern noch viel zu früh, um eine Debatte darüber zu führen, wer hier mit wem nach der nächsten Landtagswahl koalieren könnte. Derzeit regieren SPD und CDU das Bundesland. Der nächste Wahltermin ist für den Herbst 2016 angesetzt. Doch die Vorsitzende der Grünen im Nordosten, Claudia Müller, kann die Abstimmung offenbar kaum abwarten. In einem Interview mit dem NDR erklärte sie nun, dass eine Koalition mit der CDU keineswegs ausgeschlossen sei. So gebe es etwa bei der Theaterfusion und dem Umgang mit Privatschulen Schnittmengen mit den Christdemokraten.

Die CDU reagierte erfreut, in Teilen des grünen Landesverbandes sorgte der Vorstoß hingegen für Entsetzen. Die Grüne Jugend schloss Schwarz-Grün aus und warnte vor »faulen Kompromissen mit einer reaktionären Kraft«. Inhaltlich ist das durchaus gut begründet. Wenn die Grünen eine Partei sein wollen, die sich für eine menschenwürdigere Flüchtlingspolitik einsetzt, müssen sie sich kritisch mit Landesinnenminister Lorenz Caffier auseinandersetzen, anstatt sich bei seiner Partei anzubiedern. Der CDU-Politiker hatte vor kurzem indirekt Verständnis für die Ablehnung von weiteren Flüchtlingen in der Nachbarschaft von Flüchtlingsheimen geäußert. Viele Kommunen seien bei der menschenwürdigen Unterbringung und der Aufnahmekapazität an ihre Grenzen gekommen, behauptete Caffier.

Das Gerede in Mecklenburg-Vorpommern über Schwarz-Grün ist jedoch nicht mehr als heiße Luft. Die Protagonisten der innergrünen Debatte überschätzen sich offenbar selber. Denn von einer gemeinsamen Mehrheit sind die Grünen mit der CDU im Nordosten sehr weit entfernt. In Umfragen kommen sie zusammen gerade einmal auf 39 Prozent. Zudem müssen die Grünen vermutlich um den Wiedereinzug in den Schweriner Landtag bangen. Der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde war ihnen 2011 erstmals geglückt, als sie 8,7 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielten.

Realistischer sind die Überlegungen, eine Regierung aus CDU und Grünen zu bilden, in anderen Bundesländern. Vor allem im baden-württembergischen Landesverband der Grünen werden immer wieder Forderungen erhoben, die Partei müsse sich der CDU annähern. Die Grünen stellen hier mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten, aber das muss nicht so bleiben. Laut Umfragen hätte Grün-Rot keine Mehrheit mehr. Wenn das auch am Wahlabend im Frühjahr 2016 so sein sollte, müsste eine der beiden bisherigen Regierungsparteien als Juniorpartner mit der CDU koalieren. Es sei denn, die Konservativen öffnen sich bis dahin für Bündnisse mit der Alternative für Deutschland.

Baden-Württemberg gilt als Hochburg der grünen Realos, die sich rühmen, eine mittelstandsfreundliche Politik zu machen. Die Nähe zur Wirtschaft geht so weit, dass im Sommer auch ein Rüstungskonzern eine Feier der grün-roten Landesregierung sponserte. Kein Wunder also, dass die Christdemokraten keine unüberwindbaren Differenzen mehr zwischen sich und den Grünen sehen. Als Mehrheitspartei seien die Grünen nicht erträglich, weil überheblich, meinte vor kurzem CDU-Landtagsfraktionschef Peter Hauk. »Aber wenn sie zurechtgestutzt sind auf unter 20 Prozent, sind sie als Minderheit in der Regierung zu ertragen.«

Bisher ist Hessen das einzige Land, das von Schwarz-Grün regiert wird. Es könnten aber in den nächsten Jahren weitere hinzukommen – neben Baden-Württemberg ist das auch in Berlin möglich, wo Grüne und CDU aber öffentlich nicht darüber reden wollen. Kommen sie trotzdem zusammen, würde diese Option auch nach der Bundestagswahl 2017 wahrscheinlicher werden. Vergangenes Jahr hatten die Grünen mit der Union sondiert, danach aber ein Zusammengehen abgelehnt. In der Bundesspitze ist man sich uneins, wie stark man sich für Schwarz-Grün einsetzen soll. Auf eine Koalition mit der CDU hatten viele Spitzenpolitiker der Grünen in Sachsen gehofft und ein schwaches Wahlergebnis erhalten. Die Bundeschefin der Grünen, Simone Peter, sieht hier einen direkten Zusammenhang. Schwarz-Grün als Option zu betrachten, sei mithin eine gefährliche Verengung und ein kapitaler Fehler gewesen, sagte sie dem »Spiegel«. Peter will, dass ihre Partei offen für alle möglichen Bündnisse ist. Die meisten Schnittmengen sieht sie allerdings mit SPD und LINKEN. Dagegen hat Ko-Parteichef Cem Özdemir tiefe Gräben zwischen Grünen und LINKEN ausgemacht, vor allem in der Außenpolitik. Trotz dieser unterschiedlichen Präferenzen werden die Grünen aber vor den nächsten Wahlen wohl keine Bündnisse mehr ausschließen.

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