Gebete gegen Extremismus

Koordinierungsrat der Muslime plant am Freitag einen Aktionstag in 2000 Moscheen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutsche Muslimverbände wollen mit einem bundesweiten Aktionstag gegen »Extremismus jeglicher Couleur« setzen. Mit dabei auch der Verband Ditib, der direkt der türkischen Regierung untersteht.

»Den Kalten Krieg haben wir gewonnen. Nach einer siebzigjährigen Verirrung kommen wir nun zur eigentlichen Konfliktachse der letzten 1300 Jahre zurück. Das ist die große Auseinandersetzung mit dem Islam.« Mit diesen prophetischen Worten verabschiedete sich John Galvin einst als NATO-Oberbefehlshaber. Seitdem haben die US-Amerikaner und ihre Verbündeten alles Menschenmögliche getan, diesen finalen Konflikt herbeizubomben. Mittlerweile laufen durch deutsche Innenstädte junge Salafisten, von denen einige auch in den Irak und nach Syrien gehen, um dort für ihren angeblich »Islamischen Staat« zu kämpfen. Währenddessen legen mutmaßliche Rechtsextremisten Feuer in deutschen Moscheen. Allein im August zählte man insgesamt fünf Brandanschläge auf islamische Gotteshäuser.

Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) plant an diesem Freitag einen bundesweiten Aktionstag. Dazu sollen 2000 Moscheen ein Zeichen gegen »Extremismus jeglicher Couleur« setzen - mit öffentlichen Bittgebeten für Frieden. Man erwarte zahlreiche Ehrengäste, darunter Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit, erklärte Seyfi Ögütlü, der Generalsekretär Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), auf einer Pressekonferenz am Dienstag in Berlin.

Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrates, betonte: »Wir müssen als Gesellschaft zusammenstehen, wenn es Hassdelikte gibt, sei es gegen Kirchen, Moscheen, Synagogen oder andere Gotteshäuser.«

Aiman Mazyek vom Zentralrat des Muslime (ZMD) ergänzte: »Hass zwischen Religionen darf es in unserem Land nicht geben.« Mazyek warb für eine neue Sprachregelung in Bezug auf den Islamischen Staat und seine Unterstützer. Die Sprache der Journalisten müsse klarer werden, forderte er. »Nicht mehr radikalislamisch, sondern extremistisch«, sollte es in den Medien heißen. Muslime dürften nicht schweigen, »wenn der Islam gekidnappt wird von Terroristen und Verbrechern«, so Mazyek

Der Zweck des Vorstoßes ist klar: Die Islamverbände wollen mit den Salafisten nicht in einen Topf geworfen werden. Deshalb machte Zekeriye Altug, Vertreter der Türkisch-Islamischen Union (Ditib), auch deutlich: »Viele dieser Jugendlichen sind nicht in unseren Gemeinden sozialisiert«. Ein weiterer Vertreter von Ditib machte »soziale Gründe für das Abgleiten in den Extremismus« aus. Die Salafisten seien ein gesamtgesellschaftliches Problem. Den Männern auf dem Podium war der Rechtfertigungsdruck anzumerken, unter dem Muslime seit dem 11. September stehen.

Allerdings sind nicht alle der Organisatoren dem Toleranzgedanken hundertprozentig verpflichtet. So ist die deutsche Ditib dem Präsidium für Religiöse Angelegenheiten in Ankara unterstellt und somit auch der türkischen Regierung, diese wiederum steht defacto unter Kontrolle von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Der ehemalige Fundamentalist hat seinem Land einen strikten Islamisierungskurs verordnet. Das setzt religiöse Minderheiten unter Druck, die von Erdoğan gern mal als ausländische Störer denunziert werden. Zudem lässt die Türkei die deutschen Salafisten ungehindert nach Syrien bzw. Irak ausreisen.

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