Klassenkampf von oben

Im Kino: »The Riot Club« von Lone Scherfig

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Einen politischen Schauder möchte dieser Film auslösen, einen Schauder vor denen an den Schalthebeln der Macht - weil sie reich geboren, elitär erzogen, von vornherein zu Höherem bestimmt sind, persönliche Eignung hin oder her. Verwöhnte Oberklassenbengel aus britischem Adel und Geldadel sind seine Antihelden, junge Männer, die sich einerseits ohne jeden Selbstzweifel ausersehen fühlen - und andererseits von denen furchtbar missverstanden, die sich »da unten« im normalen Alltag tummeln und keine Vorstellung davon haben, wie sich ein Leben auf den allerhöchsten Höhen anfühlt.

Leider fehlt aber nicht nur dem Bürger gemeinhin jedes Verständnis für solcherlei Anmaßung, sondern auch Regisseurin Lone Scherfig jeder tiefere Einblick in das Milieu, das sie in »The Riot Club« beschreibt. Ihre Vorlage war ein Theaterstück, das in Großbritannien vor den letzten Wahlen für ein gewisses Rascheln im Blätterwald sorgte, weil einige der zur Wahl stehenden Tory-Granden zu jenem universitären Club gehörten, an dem sich Stück und Film orientieren. Nun sind sowohl Autorin Laura Wade (die ihr Stück selbst adaptierte) als auch Regisseurin Lone Scherfig Frauen, also von vorherein zwar nicht von Elite-Unis, wohl aber aus Clubs wie dem Bullingdon oder ihrem eigenen »Riot Club« ausgeschlossen. Was vielleicht erklärt, warum ihr Film so harmlos ausfiel, so spekulativ, so - durch und durch schauderhaft.

Zwei Frauen, die sich an einer misogynen Pennälerwelt abarbeiten, zwei Ausgeschlossene, die sich die Nasen plattdrücken an der Scheibe, die sie von der Welt da drinnen trennt, das konnte wahrscheinlich nichts werden. Da hilft es kaum, das ihr gemeinsames Fantasieprodukt nach Äußerungen derer, die es wissen müssen, weit hinter dem zurückbleibt, was sich vom Treiben derartiger Studentenverbindungen tatsächlich berichten ließe. Hinzu kommt, dass Scherfig das Tempo ihres Films immer dann anzieht, wenn ein bisschen differenzierende Figurengestaltung gefragt wäre, und immer dort reduziert, wo Spannungsaufbau oder eine schnelle Überleitung gebraucht würden.

Zehn Jungmänner mit zweifelsfrei exzellenter schulischer, aber im Einzelfall höchst zweifelhafter Charakter-Bildung, treffen sich nach Ekel-Aufnahmeritual und privater Zerstörungsorgie zu einem Gala-Diner, das als Höhepunkt ihres Jahres geplant ist. Jenes Personal besteht aber, mit zwei, drei Ausnahmen, aus wenig mehr als hübschen Köpfen in albernen Kostümen - die Tradition des Clubs geht auf einen jugendlichen Libertin des 18. Jahrhunderts zurück, was sich in ihrem Aufzug spiegeln soll. Sie essen zu viel, trinken zu viel, koksen zu viel - und hören trotzdem nie mit dem Reden auf. Exzess ist ihr Credo, Qualität in großer Quantität ihr Motto, und wenn vom Lokal nur Scherben und Splitter übrigbleiben, schafft ein fettes Geldbündel Abhilfe.

Das ist Klassenkampf von oben, zugespitzt bis zur Parodie. Max Irons (Sohn von Jeremy und damit selbst Erbe einer großen Traditionslinie) spielt die Identifikationsfigur für’s Publikum, den Hochwohlgeboren, der sich trotzdem noch (beinahe) rechtzeitig seines Anstands erinnert. Sam Claflin gibt seinen Antagonisten, den farblosen jüngeren Bruder eines legendären Club-Mitglieds, den der Wettbewerbsdruck zu brutaler Überreaktion verleitet. Und Tom Hollander ist der ergraute Establishment-Onkel, der eine helfende Hand reicht, damit der künftigen Karriere trotzdem nichts im Wege steht: Recht und Moral spielen keine Rolle, denn jeder und alles ist käuflich, und wer einmal dazugehört, dem kann nichts und niemand mehr gefährlich werden.

Oxbridge-Romane haben ebenso wie Filme über Elite-Internate und universitäre Ausschweifungen eine lange Tradition in Großbritannien. Ob aber ausgerechnet eine dänische Regisseurin gefragt war, diese Traditionslinie fortzuführen?

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