Ein Leben hinter Stacheldraht

Australien will elf Monate alten Säugling abschieben - weil seine Eltern Flüchtlinge sind

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
»Unerlaubte See-Ankömmlinge«: so nennt Australien Flüchtlinge, die übers Meer auf den Kontinent kommen. Auf diesem Weg kommt zwar wegen der rigiden Politik kaum noch jemand durch - aber auch in Australien geborene Kinder der Geflüchteten sind dort unerwünscht.

Sydney. Australiens Umgang mit Flüchtlingen ist einer der rigidesten weltweit und das lässt die Regierung die Welt auch wissen: In 15 Sprachen lässt sie weltweit ihre Botschaft via Video und ganzseitigen Anzeigen verbreiten. Flüchtlinge sind Down Under nicht willkommen.

Und anders als in Europa werden Flüchtlinge wie im Mittelmeer nicht aus dem Wasser geholt, sondern in internationale Gewässer abgedrängt. Kein Flüchtling oder Migrant soll je australischen Boden betreten. Und unter der Regierung des konservativen Premiers Tony Abott kam seit Beginn des Jahres auch tatsächlich kein Boot mehr durch.

Doch selbst wer in Australien geboren wurde, ist vor Abschiebung nicht sicher: Einem in Australien geborenen Flüchtlingsbaby droht die Abschiebung in ein Internierungslager auf der Pazifikinsel Nauru, berichtet die Nachrichtenagentur dpa. So entschied ein Gericht am Mittwoch, dass der elf Monate alte Ferouz ein »unerlaubter See-Ankömmling« sei und kein Anspruch auf ein Visum habe, wie die Tageszeitung »Sydney Morning Herald« berichtete.

Dabei wurde das Baby in Brisbane im australischen Bundesstaat Queensland geboren. Seine Familie war mit anderen Bootsflüchtlingen aus Myanmar gekommen, wo sie zur verfolgten muslimischen Minderheit der Rohingya gehört. Wegen der illegalen Einreise ordneten die australischen Behörden die Internierung in dem umstrittenen Lager in dem Pazifikstaat Nauru an. Als bei der Mutter jedoch Schwangerschaftskomplikationen auftraten, wurde sie nach Australien in eine Klinik gebracht, wo das Baby auf die Welt kam.

Eine Begründung des Richters Michael Jarrett, dessen Urteil voll auf der kompromisslosen Linie der australischen Regierung liegt, lautete: »Ein anderes Urteil würde den Anreiz schwangerer Frauen erhöhen, Menschenschmuggler zu engagieren.« Die Eltern wollen die Entscheidung anfechten und gleichzeitig die australische Staatsbürgerschaft für das Baby beantragen. Bis dahin könnte die Abschiebung aber bereits vollzogen sein. Auch die Anwälte betonten, in Berufung zu gehen, sehen aber wenig Chancen, wenn Ferouz nicht die australische Staatsbürgerschaft bekommt.

Dem Baby droht damit weiterhin ein Leben hinter Stacheldraht, in Gefangenschaft war es bereits sein ganzes Leben. Ihm und seiner Familie droht die Verbringung nach Nauru. Dort wären sie zwar als Flüchtlinge anerkannt, müssten aber unter inhumanen Bedingungen leben. Dementsprechend enttäuscht äußerte sich ein Anwalt der Familie nach dem Urteil gegenüber der Zeitung »The Australian«: »Die meisten Australier haben Berichte über Berichte von anerkannten Psychologen, den Vereinten Nationen und anderen anerkannten Organisationen gesehen, die die unmenschlichen Bedingungen auf Nauru klar benennen. Ich hoffe wirklich, dass das Ministerium für Einwanderung trotz des heutigen Urteils einen klareren Blick auf die Situation hat, statt möglicherweise bis zu 100 Babies nach Mauru zu schicken.«

Das zuständige Ministerium zeigt sich bisher unnachgiebig, wie die Kampagne gegen Flüchtlinge zeigt. Australien steht seit Jahren in der Kritik internationaler Organisationen, wie nur ein Beispiel aus dem Februar dieses Jahres zeigt, der die katastrophalen Bedingungen in den Lagern außerhalb Australiens verdeutlicht. Aber auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) kritisiert regelmäßig die australische Flüchtlingspolitik. Viele Australier sind mit der Politik ihrer Regierung in dieser Frage allerdings überhaupt nicht einverstanden und machen ihrem Unmut Luft.

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