Erschossen wegen eines Handys

Räuber töten Südafrikas Fußball-Nationaltorwart / Im Fall Pistorius legt die Staatsanwaltschaft Berufung ein

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Schock über den Raubmord an Südafrikas Fußball-Nationaltorwart Senzo Meyiwa ist groß, obwohl den Statistiken zufolge am selben Tag im Land am Kap fast 50 Menschen getötet wurden.

Johannesburg. Ein Land im Schockzustand, wieder einmal. Keine Woche nach dem Ende des Prozesses gegen Paralympics-Star Oscar Pistorius um die fahrlässige Tötung seiner Freundin erschüttert der Tod eines Sportidols die Regenbogennation an der Südspitze Afrikas: Nationaltorwart Senzo Meyiwa, erschossen von Räubern im Gerangel um ein Mobiltelefon im Haus seiner Freundin. Nationaltrainer Ephraim Mashaba wischte sich Tränen aus dem Gesicht, als er über seinen getöteten Kapitän sprach: »Ich habe ihn nie traurig oder wütend gesehen. Wir werden ihn sehr vermissen«, so Mashaba. »Wie kann man jemanden für ein Handy umbringen?«, fragte Teamkollege Tsepo Masilela über Twitter.

Am späten Samstagabend hatten sich drei Männer dem Haus der Sängerin Kelly Khumalo im Township Vosloorus etwa 40 Kilometer südöstlich von Johannesburg genähert. Drinnen saßen sieben Menschen beisammen, als zwei der Täter hereinstürmten, während einer draußen »Schmiere« stand.

Was dann folgte, will die Polizei am Montag noch nicht genauer beschreiben. Tatsache sei, so Südafrikas Polizeichefin Riah Phiyega, dass ein Schuss den 27-jährigen Meyiwa, Torwart und Kapitän sowohl der Nationalmannschaft als auch des Klubs Orlando Pirates, in die Brust traf. Noch vor der Ankunft im Krankenhaus starb er. Ein Freund, der nach eigenen Angaben während des Vorfalls im Haus war, sagte: »Als sie wegrannten, haben wir versucht, sie zu stoppen. Dann haben sie ihn aus nächster Nähe erschossen.«

»Erbeutet wurde ein Mobiltelefon«, gab die Polizeichefin an. Sie kennt die Zahlen genau: Jedes Jahr werden in Südafrika mehr als 17 000 Menschen ermordet, fast 50 an jedem Tag. Seit Jahren stöhnt die Nation unter der enormen Gewaltkriminalität. Ebenso schlimm finden die Südafrikaner, dass nur ein geringer Teil dieser Verbrechen aufgeklärt wird, die meist weitab der für Touristen attraktiven Gebiete verübt werden.

Mord als Alltäglichkeit: »Normale« Tötungen - wenn etwa ein Drogenabhängiger seinen Dealer im Streit ersticht - schaffen es oft nur noch als kleine Notiz in den Lokalteil. Dafür erregen prominente Fälle nicht nur landesweit, sondern teils auch international großes Aufsehen.

Zuletzt der Prozess gegen den Sprinter Pistorius, der 2013 seine 29-jährige Freundin Reeva Steenkamp erschoss. Pistorius’ Richterin glaubte dem 27-Jährigen, dass er das Opfer mit einem Einbrecher verwechselte und verurteilte ihn nur wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft. Damals spielte eine wichtige Rolle, dass die Angst, Opfer von Raubüberfällen zu werden, in Südafrika allgegenwärtig ist. Auch deshalb glaubte Richterin Thokozile Masipa dem Angeklagten, dass er aus purer Angst ohne Vorwarnung geschossen habe. Südafrikas oberste Strafverfolgungsbehörde will Urteil und Strafmaß jedoch nicht akzeptieren und kündigte am Montag Berufung an.

Nach einem prominenten Sportler als Täter nun also ein anderes Sportidol als Opfer. »Man kann den Schock der Nation über diesen Verlust kaum in Worte fassen«, sagt Staatspräsident Jacob Zuma. »Die Strafverfolgungsbehörden dürfen nichts unversucht lassen, seine Mörder zu finden und vor Gericht zu stellen.«

Das werden sie auch nicht, so viel ist allen klar. Wenn die Polizei es nicht einmal schaffen sollte, die Männer zu fassen, die den Nationaltorwart töteten, würde ihr schon angeschlagenes Ansehen ins Bodenlose sinken. Für Hinweise auf die Täter setzte sie zunächst eine Belohnung von 250 000 Rand (18 000 Euro) aus. dpa/nd

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