Werbung

Französischer Demonstrant durch Polizeigranate getötet?

José Bové: Polizisten am Ort des Staudammprojekts »nur um Spannungen zu erzeugen« / Innenminister verurteilt »schamlose politische Instrumentalisierung eines Dramas«

  • Lesedauer: 2 Min.
Ein junger Demonstrant in Frankreich ist am Wochenende bei Protesten gegen ein Staudamm-Projekt ums Leben gekommen - womöglich durch eine Polizeigranate. Sein Tod löst eine heftige Debatte über vermeintliche Polizeigewalt aus.

Paris. Der Tod eines jungen Demonstranten bei Protesten gegen ein Staudammprojekt in Frankreich hat einen heftigen politischen Streit ausgelöst. Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilte am Dienstag eine »schamlose politische Instrumentalisierung eines Dramas« und zeigte sich »schockiert« über Äußerungen zum Tod des 21-jährigen Rémy Fraisse. Staatschef François Hollande rief alle politischen Akteure zu »Verantwortungsbewusstsein« auf. Sein Premierminister Manuel Valls verurteilte »exzessive Äußerungen« von Grünen-Politikern, den früheren Koalitionspartnern der sozialistischen Regierung.

Der 21-Jährige war nach Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten in der Nacht zum Sonntag gestorben. Zunächst hatten am Samstag rund 2000 Menschen friedlich gegen das Staudammprojekt von Sivens im Verwaltungsbezirk Tarn demonstriert. Gegen zwei Uhr nachts kam es dann zu den Zusammenstößen. Nach Polizeiangaben feuerten »100 bis 150 vermummte Anarchisten« Brandsätze auf die Beamten. Diese setzten Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein. Sieben Polizisten seien verletzt worden. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Albi wurde Fraisse durch eine Explosion getötet, die womöglich durch eine Polizeigranate ausgelöst wurde. Am Dienstag sollten weitere Untersuchungsergebnisse vorliegen. Seine Eltern kündigten eine Anzeige gegen »Vertreter der Staatsgewalt« wegen des Vorwurfs der vorsätzlichen Tötung an.

Die frühere grüne Wohnungsbauministerin Cécile Duflot sagte am Dienstagmorgen dem Sender France Info, der Tod des jungen Mannes sei ein »absoluter Skandal« und »unauslöschlicher Schandfleck« für die französische Regierung. Sie forderte die Einrichtung einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Der bekannte grüne Europaabgeordnete José Bové warf Cazeneuve wegen des Polizeieinsatzes einen »schweren Fehler« vor. Der Innenminister habe Polizisten zum Ort des Staudammprojekts geschickt, »nur um Spannungen zu erzeugen«.

»Ich sehe viele Anschuldigungen während noch die Ermittlungen der Justiz laufen, und ich finde das wenig verantwortungsvoll und wenig würdevoll«, entgegnete Cazeneuve. Hollande telefonierte am Dienstagmorgen nach eigenen Angaben mit dem Vater des toten Demonstranten. »Die erste Reaktion muss Mitgefühl sein«, sagte der Staatschef. Es müsse aber auch »die ganze Wahrheit« über die Vorgänge vom Samstagabend aufgedeckt werden, worauf er »persönlich« achten werde. Die Demonstration sei »gewaltsam« verlaufen.

Der seit dem 1. September im Bau befindliche Staudamm im südfranzösischen Département Tarn soll der Bewässerung landwirtschaftlicher Nutzflächen dienen. Die Gegner des Großprojekts kritisieren, dass davon lediglich Großbetriebe profitierten, die eine intensive Landwirtschaft betreiben. Auch in einem von der Regierung in Auftrag gegebenen Expertenbericht wird scharfe Kritik an dem Vorhaben geübt.

Frankreichs Grüne waren im Frühjahr im Zuge einer Kabinettsumbildung aus der Regierung ausgeschieden. Im Parlament stimmen sie aber in aller Regel nicht gegen Gesetzesvorhaben der Sozialisten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal