Viktor Agartz

Kalenderblatt

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach seinem Tod war er recht bald vergessen. Erst in den letzten Jahren setzten sich gewerkschaftliche Initiativen für seine Rehabilitierung ein. Von einer Rückkehr des Viktor Agartz, wie der Titel einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung lautete, kann allerdings nicht geredet werden. Am 9. Dezember jährte sich zum 50. Mal sein Todestag.

Der 1887 in Remscheid geborene marxistische Nationalökonom war während der NS-Zeit in die innere Immigration abgetaucht; er arbeitete als Wirtschaftsprüfer bei der Rheinisch Westfälischen Treuhand AG. Seine große Stunde schlug 1945. Er wurde SPD-Mitglied und im Mai 1946 Generalsekretär des Wirtschaftsrates der britischen Zone. Bereits im Frühjahr 1947 gab er das Amt aus angeblich gesundheitlichen Gründen wieder ab. Sein Nachfolger Ludwig Erhardt nutzte den Posten für seinen Einstieg in die Politik. Die beiden Männer wurden auf wirtschafts- und gesellschaftspolitischem Gebiet erbitterte Kontrahenten. Während Erhardt den Kapitalismus unter dem Label soziale Marktwirtschaft restaurieren wollte, wurde Agartz zu einem wichtigen Theoretiker des linken Gewerkschaftsflügels. Als Leiter des vom DGB gegründeten Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts (WWI) avancierte er zum Exponenten einer sozialistischen Wirtschaftsdemokratie. Mitbestimmungskonzepte wie sie der rechte Flügel von DGB und SPD favorisierte, lehnte Agartz als Mitverwaltung des Kapitalismus ab.

Auf dem DGB-Kongress im Oktober 1954 wurde sein Grundsatzreferat, in dem er sich scharf gegen restaurative Tendenzen in der Bundesrepublik wandte, mit stürmischem Applaus bedacht. Seine klare linke Position war jedoch bei der SPD-Führung, die sich bereits auf den Weg nach Godesberg machte, nicht mehr gefragt, ebenso wenig beim DGB-Vorstand. Agartz verlor sein Amt, auch weil er im tiefsten Kalten Krieg nicht bereit war, die Kontakte zum ostdeutschen FDGB abzubrechen. Trotz starker Kritik an der autoritären DDR sah er FDGB und SED als Teil der deutschen Arbeiterbewegung an, mit der eine Kooperation möglich und notwendig sei. Im März 1957 wurde er wegen landesverräterischer Kontakte zur DDR angeklagt. Obwohl aus Mangel an Beweisen freigesprochen, blieb er für die bundesdeutsche Öffentlichkeit stigmatisiert. Agartz engagierte sich hernach in der kleinen linkssozialistischen Opposition der Bundesrepublik, zog sich aber dann, als jegliche Erfolge ausblieben, enttäuscht aus der Politik zurück. Peter Nowak

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